5G: Umweltministerium bereitet Novelle der 26. BImSchV vor (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Freitag, 27.12.2019, 22:04 (vor 1553 Tagen)

Anlässlich der 92. Umweltministerkonferenz (UMK) in Hamburg baten im Mai 2019 die Umweltminister der deutschen Bundesländer den Bund u.a. zu prüfen, ob und ggfs. wie die Verordnung über elektromagnetische Felder (26. BImSchV) oder die Verordnung über das Nachweisverfahren zur Begrenzung elektromagnetischer Felder (BEMFV) wegen des neuen 5G-Mobilfunks überarbeitet werden müssen (Top 45). Um Berichterstattung des Bundes zur 93. UMK wurde gebeten.

Auf der 93. UMK, die im November 2019 abermals in Hamburg stattfand, wurde vom Bundesministerium für Umwelt der folgende Bericht vorgelegt:

Zur Verdichtung der Mobilfunknetze in Bereichen hoher Nachfrage werden bereits jetzt in den bestehenden Mobilfunknetzen vermehrt kleine Funkzellen, sogenannte Kleinzellen ("small cells") eingerichtet. Mit der Einführung von 5G ist eine massive Nutzung dieser Technik zu erwarten. Die von den Mobilfunknetzbetreibern hierfür eingesetzten Sendeanlagen werden mit einer äquivalenten isotropen Strahlungsleistung (EIRP) von weniger als 10 Watt betrieben und unterliegen damit derzeit nicht dem Grenzwertregime der 26. BImSchV für elektromagnetische Felder. Im Nahbereich solcher Anlagen, bei Abständen von deutlich unter einem Meter, können bei höchster betrieblicher Anlagenauslastung die Grenzwerte überschritten werden.

Die Einhaltung der Grenzwerte an allen Orten, an denen sich Menschen aufhalten können, dient dem Schutz der Bevölkerung. Unterhalb der Grenzwerte bestehen nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse keine gesundheitlichen Risiken.

Zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung, der in diesem Fall nicht durch eine geeignete freiwillige Selbstverpflichtung aller Mobilfunk-Netzbetreiber als milderes Mittel erreichbar ist, soll die 26. BImSchV geändert werden (einschließlich etwa erforderlicher Folgeänderungen in der BEMFV), um Sendeanlagen mit einer Strahlungsleistung zwischen 2 und 10 Watt EIRP in den Regelungsbereich aufzunehmen. Das BMU erarbeitet derzeit einen entsprechenden Referentenentwurf.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

5G: Selbstverpflichtung statt Novelle der 26. BImSchV

H. Lamarr @, München, Montag, 06.04.2020, 23:47 (vor 1452 Tagen) @ H. Lamarr

Zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung, der in diesem Fall nicht durch eine geeignete freiwillige Selbstverpflichtung aller Mobilfunk-Netzbetreiber als milderes Mittel erreichbar ist, soll die 26. BImSchV geändert werden ...

Was das Umweltministerium zuerst verworfen hat, nämlich eine freiwillige Selbstverpflichtung aller Netzbetreiber, wird nun doch praktiziert. Zunächst befristet auf drei Jahre.

Selbstverpflichtung begrenzt elektromagnetische Felder bei Kleinzellen

Gesundheitsschutz bei Mobilfunknetzen weiter gesichert

Die Bundesregierung hat von den Mobilfunkbetreibern eine Selbstverpflichtung zu sogenannten Kleinzellen entgegengenommen. Die Betreiber sagen darin zu, auch bei Kleinzellen den Schutz vor den elektromagnetischen Feldern nach den etablierten Standards zu gewährleisten.

Rita Schwarzelühr-Sutter, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium: "Ich freue mich, dass es angesichts der dynamischen technischen Entwicklung gelungen ist, einvernehmlich anspruchsvolle Vorgaben für den weiteren Ausbau festzulegen. In vielen Strategiepapieren, zuletzt in der Mobilfunkstrategie der Bundesregierung, haben wir uns vorgenommen, dem Gesundheitsschutz beim Ausbau der Mobilfunknetze höchste Priorität einzuräumen. Das wird jetzt konsequent umgesetzt."

Derzeit werden die Mobilfunknetze in Deutschland stark ausgebaut. An Orten hoher Nachfrage, wie in Innenstädten, Veranstaltungsorten oder Stadien kommen zur Verstärkung der Kapazität zunehmend sogenannte "Kleinzellen" zum Einsatz, also Sendeanlagen mit geringer Reichweite. Mit dem Aufbau der neuen 5G-Netze ist damit zu rechnen, dass sich diese Entwicklung weiter verstärkt. Alle Betreiber sagen jetzt zu, bei diesen Kleinzellen dasselbe Schutzniveau einzuhalten, wie es durch die Grenzwerte der Verordnung über elektromagnetische Felder (26. BImSchV) für Basisstationen größerer Leistung etabliert ist.

Die Betreiber erweitern nun eine seit 2001 bestehende und seither fortgeschriebene Selbstverpflichtung, in der sie "zur Verbesserung von Sicherheit und Verbraucher-, Umwelt- und Gesundheitsschutz Information und vertrauensbildende Maßnahmen beim Ausbau der Mobilfunknetze" zugesagt hatten. Die Selbstverpflichtung gilt auch für die bereits installierten Kleinzellen. Ihre Einhaltung wird durch die Bundesregierung regelmäßig überprüft. Zudem sollen die Verfahren zur Information und Partizipation der Kommunen auch für die Kleinzellen fortgeführt werden.

Mit der Selbstverpflichtung, die zunächst für einen Zeitraum von drei Jahren abgegeben ist, ist auch ein Monitoring durch regelmäßige, unabhängige Gutachten verbunden. Darin werden technische Informationen zu den einzelnen Kleinzellen, eine Bewertung der davon ausgehenden Felder und die Ergebnisse von Messreihen an exemplarisch ausgewählten Standorten vorgesehen. Überdies wird die Bundesnetzagentur die Kleinzellen in Kürze in ihre öffentlich einsehbare Standortdatenbank aufnehmen.

03.04.2020 | Pressemitteilung Nr. 054/20 | Strahlenschutz

Hintergrund
Fortschreibung der Selbstverpflichtung gegenüber der Bundesregierung aus dem Jahr 2001 mit dem Schwerpunkt „Kleinzellen“ (PDF, 6 Seiten)

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

5G-Kleinzellen mit typisierter Immissionsbewertung

H. Lamarr @, München, Dienstag, 07.04.2020, 23:02 (vor 1451 Tagen) @ H. Lamarr

Hier ein paar Schlüsselpassagen (meine Wertung) aus der neuen Selbstverpflichtung der Mobilfunknetzbetreiber für Kleinzellen:

► Bei Montagehöhen der Kleinzellen-Antenne von über 2,30 Metern über jeglichem Grund ist die Sicherheit der Bevölkerung im darunterliegenden öffentlichen Raum durch die Unterschreitung des Grenzwertes der 26. BImSchV in jedem Fall sichergestellt.

► Kleinzellen müssen ortsgenau mit geringen Spielräumen und funktionsgerecht platziert werden, um den zunehmenden Anforderungen an die digitale Infrastruktur hinsichtlich Datengeschwindigkeiten und Zuverlässigkeit Rechnung zu tragen. Zudem ist für die Errichtung von Kleinzellen die verstärkte Nutzung bereits vorhandener, öffentlicher Infrastrukturkomponenten oder die Nutzung öffentlicher Liegenschaften ein begrenzender Faktor der Standort-Variabilität.

► Aufgrund der zu erwartenden Mengen an Kleinzellen ist es zudem nicht sinnvoll bzw. auch nicht machbar, den Standort jeder einzelnen Kleinzellen-Sendeanlage getrennt abzustimmen.

► Wichtiges Ziel beim Ausbau des Kleinzellennetzes ist auch weiterhin möglichst das Einvernehmen zwischen Kommune und Mobilfunkbetreibern.

► Da die Mobilfunkbetreiber für die Mobilfunknetze der Zukunft zukünftig in größerem Umfang Kleinzellen aufbauen müssen, benötigen sie hierfür verstärkt öffentliche Infrastrukturkomponenten, wie zum Beispiel Laternenmasten, Ampelanlagen etc. Grundsätzlich sind die rechtlichen Voraussetzungen für die Nutzung der öffentlichen Infrastruktur im „Gesetz zur Erleichterung des Ausbaus digitaler Hochgeschwindigkeitsnetze“ (DigiNetzG) geregelt. Einzelheiten der Umsetzung in der Praxis müssen jedoch noch entwickelt werden.

► Die Mobilfunkbetreiber sagen zu, innerhalb von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Unterzeichnung dieser Ergänzung den kommunalen Spitzenverbänden einen konkreten Vorschlag mit dem Ziel zu unterbreiten, eine den Anforderungen der Kommunen und der Mobilfunkbetreiber entsprechende Rahmenvereinbarung für den Ausbau der Kleinzellentechnik zu entwickeln und einvernehmlich zu vereinbaren.

► Die zugesagten Maßnahmen für den Bereich der Kleinzellentechnik werden in geeigneter Form im regelmäßig zu erstellenden Monitoring-Gutachten zur Selbstverpflichtung dokumentiert. [...]
Im Einzelnen soll das Monitoring-Gutachten folgende Informationen zum Ausbau der Kleinzellentechnik bereitstellen:
- Informationen zum Stand der technischen Entwicklung der Kleinzellentechnik
- Anzahl der pro Mobilfunkbetreiber errichteten Kleinzellen
- Informationen zu den aufgebauten Realisierungsvarianten
- Typisierte Immissionsbewertung (Basisgrenzwerte & Referenzwerte)
- Messtechnisches Monitoring einzelner, exemplarisch ausgewählter Standorte
- Stand der Dokumentation in der zentralen Standortdatenbank

Kommentar: Wenn ich das richtig verstehe, werden von Kleinzellen künftig nur noch Baumuster einer Immissionsbewertung unterzogen, nicht mehr (wie bei Makrozellen) aber jede montierte Kleinzelle. Das erscheint mir bei der großen Anzahl zu erwartender Kleinzellen auch sinnvoll, Diagnose-Funk hingegen könnte dieser Sachverhalt nächstes Jahr zu einem empörten Brennpunkt inspirieren :-). Bei Autos und Autozubehör (z.B. Alufelgen) ist so eine Baumusterabnahme mWn schon lange üblich. Nach der Montage einer Kleinzelle wird, von Stichproben abgesehen, die maximale Immission messtechnisch nicht kontrolliert.

Variante für Elektrosmog-Phobiker: Ausgestattet mit einem SAR-Sensor (Näherungssensor) könnte eine Kleinzelle erkennen wenn ihr jemand zu nahe kommt, und die Sendeleistung automatisch für die Dauer der Annäherung drosseln. Denn wenn es solche Blödiane gibt, dann gibt es mutmaßlich auch welche, die sich verrenken, nur um Kleinzellen küssen zu können.

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Tags:
Kleinzellen, Monitoring, Immissionbewertung

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