REFLEX: Warum die Daten grundsätzlich nicht stimmen können (Allgemein)

Alexander Lerchl @, Dienstag, 20.08.2019, 15:16 (vor 1673 Tagen)

In dem ja nun schon 11 Jahre dauernden Streit um die Mobilfunkstudien aus Wien innerhalb des REFLEX-Projektes geht es um die Frage, ob die Daten schlicht erfunden wurden. Mehrere Gerichtsverfahren haben - bislang - diese Frage nicht geklärt, sondern nur mal für, mal gegen den Bremer Biologen Alexander Lerchl entschieden, die die vielen Ungereimtheiten aufgedeckt hatte. Im jüngsten Verfahren gegen Lerchl vor dem Bremer Landgericht unterlag die Klägerin und legte Berufung ein, das Verfahren vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht Bremen läuft noch.

Für das Verfahren vor dem Landgericht fertigte der Bremer Biologe ein Video an mit folgendem Inhalt: zusammen mit einem Notar, der die Ergebnisse schriftlich bestätigte, wurde eine Simulation durchgeführt mit dem Ziel zu prüfen, ob die von Diem et al. 2005 bzw. Rüdiger et al. 2006 (diesen Artikel findet man übrigens nicht so leicht ...) veröffentlichten Daten mathematisch überhaupt möglich sind. Denn aufgrund einfacher mathematischer Gesetze müssen Daten in einem gewissen Bereich schwanken, wenn sie so gewonnen wurden wie berichtet. Details können Interessierte hier nachlesen.

Das Video ist hier verfügbar, am Ende ist das erwartete Ergebnis zu sehen. Die veröffentlichten Daten sind allein aus mathematischen Gründen völlig unmöglich. Aus biologischer Sicht natürlich umso mehr.

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"Ein Esoteriker kann in fünf Minuten mehr Unsinn behaupten, als ein Wissenschaftler in seinem ganzen Leben widerlegen kann." Vince Ebert

Tags:
Fehler, Statistik, Reflex, Wissenschaftliches Fehlverhalten, Rüdiger, Fibroblasten, Kometenschweif, Fälschungsverdacht, Landgericht, Bremen, Wahrheitsgehalt, Simulation

REFLEX: Warum die Daten grundsätzlich nicht stimmen können

H. Lamarr @, München, Mittwoch, 21.08.2019, 10:42 (vor 1672 Tagen) @ Alexander Lerchl

Das Video ist hier verfügbar, am Ende ist das erwartete Ergebnis zu sehen. Die veröffentlichten Daten sind allein aus mathematischen Gründen völlig unmöglich. Aus biologischer Sicht natürlich umso mehr.

Könnten Sie kurz erklären, warum Ihr Experiment eine gültige Simulation der Zellenauswertung im Reflex-Projekt ist? Wenn ich mich recht entsinne, war bei Reflex die Länge des Kometenschweifs (Maß für DNA-Schädigung) einer bestrahlten Zelle maßgebend, in welche Kategorie A (Schweif kurz) bis E (Schweif lang) die Zelle eingeordnet wurde. Wie kann ein Experiment, das unter vergleichbaren Randbedingungen die zufällige "Befüllung" der fünf Kategorien mit farbigen Kugeln bewerkstelligt, eine gültige Simulation sein? Dafür fehlt mir als Statistiklaie das Grundverständnis.

Wenn ich trotz aller Defizite Ihr Experiment richtig verstehe, bildet es den Streubereich der Daten ab, den Reflex nicht hätte unterschreiten können. Bei Reflex war diese Unterschreitung jedoch der Fall. Lässt man einen Fälschungsverdacht jetzt einmal beiseite, könnte auch ein systematischer Fehler im Reflex-Versuchsdesign für dieses Ergebnis verantwortlich sein? Beispiel: Das bekannte Kopf-oder-Zahl-Experiment mit einer rotierenden Münze führt doch nur dann (bei ausreichend vielen Wiederholungen) zu einer 50,000 Prozent richtigen Vorhersagewahrscheinlichkeit, wenn die Münze mechanisch perfekt ist. Ist die Schmalseite hingegen z.B. leicht schief oder hat sie Dellen, fällt die Münze bevorzugt auf eine Seite und die Vorhersagewahrscheinlichkeit stimmt nicht mehr exakt.

Letzte Frage: Warum waren es ausgerechnet zwölf Ziehungen?

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

REFLEX: Warum die Daten grundsätzlich nicht stimmen können

Alexander Lerchl @, Mittwoch, 21.08.2019, 19:31 (vor 1672 Tagen) @ H. Lamarr

Das Video ist hier verfügbar, am Ende ist das erwartete Ergebnis zu sehen. Die veröffentlichten Daten sind allein aus mathematischen Gründen völlig unmöglich. Aus biologischer Sicht natürlich umso mehr.

Könnten Sie kurz erklären, warum Ihr Experiment eine gültige Simulation der Zellenauswertung im Reflex-Projekt ist? Wenn ich mich recht entsinne, war bei Reflex die Länge des Kometenschweifs (Maß für DNA-Schädigung) einer bestrahlten Zelle maßgebend, in welche Kategorie A (Schweif kurz) bis E (Schweif lang) die Zelle eingeordnet wurde. Wie kann ein Experiment, das unter vergleichbaren Randbedingungen die zufällige "Befüllung" der fünf Kategorien mit farbigen Kugeln bewerkstelligt, eine gültige Simulation sein? Dafür fehlt mir als Statistiklaie das Grundverständnis.

Eigentlich ganz einfach: in der Tabelle 1 in dem Reply von Rüdiger et al. 2006 waren die angeblichen jeweiligen Anzahlen der Zellen der jeweiligen Kategorien A - E angegeben, also z.B.
in Zeile 3 (Kontrolle): 451 (A), 36 (B), 11 (C), 2 (D), 0 (E)
in Zeile 4 (Kontrolle): 452 (A), 37 (B), 9 (C), 1 (D), 1 (E)

Daraus wurde dann jeweils der Comet Faktor berechnet, also in dem Fall 4,1 und 4,1. Dass derart geringe Abweichungen unterschiedlicher Proben bei manueller mikroskopischer Auswertung möglich sein können (die Kometen sind ja unterschiedlich lang), ist schon für den Einzelfall völlig unplausibel. Und die Simulation mit den Kügelchen simuliert den Fall, dass es überhaupt keine (real vorhandenen) biologischen oder (unvermeidlichen) messbedingten Abweichungen gibt, also eine völlig unrealistische, idealisierte, aber für die Autoren günstigste Annahme.

Wenn ich trotz aller Defizite Ihr Experiment richtig verstehe, bildet es den Streubereich der Daten ab, den Reflex nicht hätte unterschreiten können.

Richtig.

Bei Reflex war diese Unterschreitung jedoch der Fall.

Richtig.

Lässt man einen Fälschungsverdacht jetzt einmal beiseite, könnte auch ein systematischer Fehler im Reflex-Versuchsdesign für dieses Ergebnis verantwortlich sein? Beispiel: Das bekannte Kopf-oder-Zahl-Experiment mit einer rotierenden Münze führt doch nur dann (bei ausreichend vielen Wiederholungen) zu einer 50,000 Prozent richtigen Vorhersagewahrscheinlichkeit, wenn die Münze mechanisch perfekt ist. Ist die Schmalseite hingegen z.B. leicht schief oder hat sie Dellen, fällt die Münze bevorzugt auf eine Seite und die Vorhersagewahrscheinlichkeit stimmt nicht mehr exakt.

Dafür gibt es keinerlei Hinweise, und selbst wenn es einen solchen "Fehler" gäbe, wäre damit in jedem Fall der wissenschaftliche Wert der Studie für die Tonne.

Letzte Frage: Warum waren es ausgerechnet zwölf Ziehungen?

In der bereits genannten Tabelle 1 waren insgesamt 24 Zählungen unter Kontrollbedingungen (keine Exposition) aufgeführt. Schon die 12 Simulationen haben gezeigt, dass die mathematisch - theoretisch überhaupt möglichen geringsten Abweichungen höher waren als die in der Veröffentlichung publizierten. Und da hätten noch mehr Simulationen keinen weiteren Erkenntnisgewinn erbracht.

Letztlich ist diese Simulation auch nur eine praktische Demonstration der ohnehin beweiskräftigen theoretischen Analysen und verschiedenen Gutachten, die zum selben Ergebnis kommen.

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REFLEX: Warum die Daten grundsätzlich nicht stimmen können

H. Lamarr @, München, Mittwoch, 21.08.2019, 21:24 (vor 1672 Tagen) @ Alexander Lerchl

:danke:

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REFLEX: w mosgold stänkert

Alexander Lerchl @, Montag, 26.08.2019, 21:00 (vor 1667 Tagen) @ Alexander Lerchl

Das Video ist hier verfügbar, am Ende ist das erwartete Ergebnis zu sehen. Die veröffentlichten Daten sind allein aus mathematischen Gründen völlig unmöglich. Aus biologischer Sicht natürlich umso mehr.

"w mosgold" war not amused. Sein Kommentar: "Was soll das sein? Kommt mir vor wie Frust ablassen, unter notariellem Beisitz." zeugt von Ignoranz oder Inkompetenz oder beidem. Ein Schelm, wer denkt, der Kommentator sei Herr Kollege Wilhelm Mosgöller. ;-)

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Monte-Carlo-Simulation?

H. Lamarr @, München, Montag, 02.09.2019, 22:57 (vor 1660 Tagen) @ Alexander Lerchl

Das Video ist hier verfügbar, am Ende ist das erwartete Ergebnis zu sehen.

Kann Ihr Experiment als Monte-Carlo-Simulation gesehen werden? Die Anzahl der Ziehungen war mit zwölf zwar nicht groß, die Anzahl der Kugeln aber schon. Ich frage, weil im Inhaltsverzeichnis der neuen Norm IEC 62232 (Expositionsbestimmungen) der Begriff Monte-Carlo-Simulation auftaucht und mich zu diesem Wikipedia-Eintrag geführt hat.

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Monte-Carlo-Simulation?

Gustav, Dienstag, 03.09.2019, 19:19 (vor 1659 Tagen) @ H. Lamarr

Das Video ist hier verfügbar, am Ende ist das erwartete Ergebnis zu sehen.

Kann Ihr Experiment als Monte-Carlo-Simulation gesehen werden? Die Anzahl der Ziehungen war mit zwölf zwar nicht groß, die Anzahl der Kugeln aber schon. Ich frage, weil im Inhaltsverzeichnis der neuen Norm IEC 62232 (Expositionsbestimmungen) der Begriff Monte-Carlo-Simulation auftaucht und mich zu diesem Wikipedia-Eintrag geführt hat.

Ich glaube nicht. Hier mal ein Beispiel bei dem man Monte-Carlo Simulation anwenden kann:

Nehmen wir an, sie haben zwei ohmsche Widerstände in Reihe geschaltet. Wie gross ist der Gesamt-Widerstand (unter Berücksichtigung der Toleranz)?
R1 = 200Ω ± 1%
R2 = 100Ω ± 2%

Bei zwei Widerständen in Reihe ist die Rechnung noch sehr simpel:
Minimaler Fall: 198Ω + 98Ω = 296Ω
Maximaler Fall: 202Ω + 102Ω = 304Ω

Der Gesamt-Widerstand ist also zwischen 296Ω bis 304Ω oder 300Ω ± ≈1.3%

Wenn man eine Schaltung mit 1000 Bauteilen hat kann man es nicht mehr so einfach rechnen. Um solche Probleme zu lösen kann man eine Monte-Carlo-Simulation machen.

Ich hoffe, dass ich hier nicht vollkommenen Blödsinn geschrieben habe. In diesem Fall bitte ich um Entschuldigung.

Monte-Carlo-Simulation?

H. Lamarr @, München, Dienstag, 03.09.2019, 23:35 (vor 1658 Tagen) @ Gustav

Danke für die Mühe, "Gustav", doch bei Ihrem Beispiel vermisse ich Gevatter Zufall.

Wenn man eine Schaltung mit 1000 Bauteilen hat kann man es nicht mehr so einfach rechnen. Um solche Probleme zu lösen kann man eine Monte-Carlo-Simulation machen.

Als ich vor gefühlt 138 Jahren Lehrling bei Rohde & Schwarz war, wurden wir nach der Grundausbildung durch alle möglichen Abteilungen geschleust. In einer Entwicklungsabteilung schaute ich zu, wie ein Ingenieur in weißem Arbeitskittel (wir Lehrlinge mussten graue tragen) den Arbeitspunkt einer Transistorstufe einstellte, indem er provisorisch ein Poti anstelle des Basiswiderstands einlötete und solange dran herumdrehte, bis der gewünschte Arbeitspunkt erreicht war. Dann entfernte er das Poti, maß dessen Widerstand und lötete schließlich den passenden Basiswiderstand ein. Ich zu ihm (mit erstauntem Unterton): "Ich dachte immer, Ingenieure berechnen passend zum gewünschten Kollektorstrom den Basiswiderstand." Er hielt inne, schaute mich nachdenklich an und meinte dann lakonisch: "Quatsch, wie kommst du denn da drauf? Geht doch so viel schneller!" Danach beschloss ich, Ingenieur zu werden.

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