Chiang-Zitat "Geburtenkontrolle mit Mikrowellen" gefälscht? (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Sonntag, 06.01.2019, 20:02 (vor 1935 Tagen)

Bevorzugt in der Anti-Mobilfunk-Szene und auf den Websites von Geschäftemachern kursiert auch in abgewandelter Version das Zitat:

"Früher haben wir mit diesen Mikrowellen Geburtenkontrolle ge­macht. Heute telefonieren wir damit. Sehr schön."

Oder auf englisch:

"In the past, we applied microwaves for birth control. Today we make phone calls with it. Go figure."

In den Mund gelegt wird dieses Zitat Prof. Dr. Huai Chiang, Zhejiang University, School of Medicine, China. Einigen Fundstellen des Zitats reicht der akademische Grad der Professorin nicht aus, sie wird zusätzlich als "WHO-Beraterin" vorgestellt.

Im Internet finden sich indes keine Bestätigungen, Prof. Dr. Huai Chiang sei jemals von der WHO als Beraterin engagiert worden. Auch die WHO-Website stützt die Behauptung nicht, sie listet Huai Chiang mehrmals als Teilnehmerin an Meetings, nicht jedoch als Beraterin. Die Behauptung ist daher höchstwahrscheinlich frei erfunden, um dem Zitat das Flair der WHO und damit eine Extraportion an Bedeutung zu geben.

Der Baubiologe Wolfgang Maes behauptet, Chiang habe sich wie zitiert anlässlich der "Internationalen Konferenz Situierung von Mobilfunksendern" in Salzburg (7.-8. Juni 2000) geäußert. Aller Voraussicht nach ist Zitatsammler Maes die Primärquelle für das Zitat, alle anderen haben bei ihm abgeschrieben.

Eine unabhängige Bestätigung für das Zitat gibt es nicht. Auch in Chiangs Vortrag auf der Konferenz findet sich davon keine Spur. Ebenso wenig gibt das www einen Treffer preis, der belegt, Chiang selbst habe die Äußerung in der zitierten oder abgewandelten Form auch nur ein einziges mal wiederholt.

So bleibt dem griffigen Zitat Chiangs jedwede Bestätigung verwehrt. Ob die Wissenschaftlerin die Worte jemals gesagt hat ist damit höchst zweifelhaft. Besonders deshalb, weil Maes bereits mehrfach nachgewiesen wurde, dass er Zitate verfälscht oder gefälscht hat.

Frei erfunden oder eine Pseudowissenschaftlerin ist Huai Chiang indes nicht. Sie hat bei ResearchGate 46 Spuren hinterlassen und darf daher als ernsthafte Wissenschaftlerin gelten. Zuletzt publiziert hat sie 2012 (als Co-Autorin), 2015 unterschrieb sie den EMF-Appell des inzwischen verstorbenen US-Wissenschaftlers Martin Blank. Chiang dürfte zwischenzeitlich emeritiert oder verstorben sein, denn im Personenverzeichnis ihrer Universität taucht sie nicht mehr auf. Ihr E-Mail-Postfach existiert zwar noch, ein Kontaktversuch ist jedoch wenig erfolgversprechend, der Posteingang ist randvoll.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Maes, Zitatverfälschung, Zitat

Chiang-Zitat in Südtiroler Schülerarbeit verwurstet

H. Lamarr @, München, Sonntag, 06.01.2019, 20:25 (vor 1935 Tagen) @ H. Lamarr

So bleibt dem griffigen Zitat Chiangs jedwede Bestätigung verwehrt. Ob die Wissenschaftlerin die Worte jemals gesagt hat ist damit höchst zweifelhaft. Besonders deshalb, weil Maes bereits mehrfach nachgewiesen wurde, dass er Zitate verfälscht oder gefälscht hat.

Das mutmaßlich gefälschte Chiang-Zitat findet sich auch in der Facharbeit "Handystrahlung" eines Schülers aus Südtirol. Leider ist diese 2012 entstandene Arbeit extrem einseitig recherchiert und damit unqualifiziert, auch von einem Gymnasiasten darf man aus meiner Sicht schon die Recherche mit zwei Augen erwarten. Der Verein "Baubiologie Südtirol" mit Sitz in Bozen sieht dies anders. Diese "Vereinigung zur Vertiefung und Verbreitung der Baubiologie" ist von der Arbeit des Jugendlichen so angetan, dass sie keine Hemmungen hat, das irreführende Werk zum Download anzubieten. Aus meiner Sicht ein Armutszeugnis, nicht für den Autor, sondern für den Verein, der ungeniert Minderjährige für seine Zwecke instrumentalisiert.

Hintergrund
Elektrosmog & Südtirol

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Chiang-Zitat in Südtiroler Schülerarbeit verwurstet

KlaKla, Montag, 07.01.2019, 06:56 (vor 1934 Tagen) @ H. Lamarr

Das mutmaßlich gefälschte Chiang-Zitat findet sich auch in der Facharbeit "Handystrahlung" eines Schülers aus Südtirol. Leider ist diese 2012 entstandene Arbeit extrem einseitig recherchiert und damit unqualifiziert, auch von einem Gymnasiasten darf man aus meiner Sicht schon die Recherche mit zwei Augen erwarten.

Nicht, wenn die Arbeit in Verbindung steht, mit der Ausbildung zum Baubiologen. Siehe, Die künftigen Baubiologen heißen: Michael ­Schaffler ­(Riffian) ...

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Meine Meinungsäußerung

Chiang-Zitat in Südtiroler Schülerarbeit verwurstet

H. Lamarr @, München, Montag, 07.01.2019, 12:25 (vor 1934 Tagen) @ KlaKla

Das mutmaßlich gefälschte Chiang-Zitat findet sich auch in der Facharbeit "Handystrahlung" eines Schülers aus Südtirol. Leider ist diese 2012 entstandene Arbeit extrem einseitig recherchiert und damit unqualifiziert, auch von einem Gymnasiasten darf man aus meiner Sicht schon die Recherche mit zwei Augen erwarten.

Nicht, wenn die Arbeit in Verbindung steht, mit der Ausbildung zum Baubiologen. Siehe, Die künftigen Baubiologen heißen: Michael ­Schaffler ­(Riffian) ...

Kinder an die Front. Schlimmer geht's nimmer.

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