Frankreich (2018): Regierungsbericht zu "Elektrosensibilität" (Elektrosensibilität)

H. Lamarr @, München, Donnerstag, 23.08.2018, 20:44 (vor 2067 Tagen)

Am 9. Februar 2015 verabschiedete die französische Nationalversammlung das Gesetz Nr. 2015-136, darin geht es u.a. darum, im Einvernehmen mit den Mobilfunknetzbetreibern eine vorsorgliche Begrenzung der Exposition gegenüber elektromagnetischen Wellen herbei zu führen. Nebenbei fordert dieses Gesetz, die französische Regierung müsse einen Bericht über die "Elektrosensibilität" im Lande vorlegen. Im Juni 2016 lag dieser Bericht vor und ging in die öffentliche Konsultation, an der Vertreter so ziemlich aller Teilnehmer der Mobilfunkdebatte beteiligt waren, Politiker, Wissenschaftler, Umweltschützer, Bürgerinitiativen, Mediziner und Betroffene. Bemerkenswerterweise wurde u.a. Dominique Belpomme in der Abteilung "Mediziner" einvernommen, Lebrecht von Klitzing, Leif Salford und andere hingegen in der Abteilung "Wissenschaftler". Auch die unvermeidliche Michèle Rivasi (EU-Parlament) war mit dabei, ebenso "Elektrosensible" wie Philippe Tribaudeau, nicht aber Dr. Gerd Oberfeld.

Am 27. März 2018 legte Anses, die Nationale Gesundheitsagentur für Lebensmittel, Umwelt und Arbeitssicherheit, die Endfassung des Berichts vor (Hypersensibilité électromagnétique ou intolérance environnementale idiopathique attribuée aux champs électromagnétiques), einen 382 Seiten umfassenden Wälzer in französischer Sprache. Wer soll das alles lesen, bereits die Zusammenfassung zieht sich über viele Seiten hin ...

Dass die Anti-Mobilfunk-Szene auffallend ruhig blieb und das Werk nicht mit dem sonst üblichen Gedöns bedachte, ist ein erster Hinweis auf den Inhalt.

Glücklicherweise brachte die Agentur Anses im März auf ihrer Website eine kompakte Zusammenfassung des Mammutwerks heraus, aus der hervor geht, dass die Franzosen ebenfalls nichts anderes herausgefunden haben als zuvor z.B. die Schweizer, Schweden oder Deutschen. Heißt: Die Symptome von "Elektrosensiblen" werden auch in Frankreich nicht bestritten, solide Beweise für einen Kausalzusammenhang dieser Symptome mit der Einwirkung elektromagnetischer Felder gebe es bis heute hingegen nicht. Jetzt wissen wir, warum organisierte Mobilfunkgegner den Bericht totschweigen. Die Agentur empfiehlt eine angemessene Betreuung der Betroffenen sowie die Durchführung von Forschungsarbeiten, deren experimentelle Bedingungen die Lebensumstände von Personen berücksichtigen, die glauben elektrosensibel zu sein. Auch die Empfehlung, die Lebensumstände in Studien mit einzubeziehen, ist keineswegs neu. Eine jüngst, ich meine in Australien durchgeführte EHS-Studie fand daher im gewohnten Lebensumfeld der Betroffenen statt, erbrachte aber dennoch nur das übliche Ergebnis, dass die Probanden eine gezielte Feldprovokation auch unter diesem Umständen nicht "spüren" konnten.

Ich kann mir ausmalen, wie viel Geld der Bericht von Anses verschlungen hat, es muss ein kleines Vermögen gewesen sein. Die Resultate erscheinen mir dafür enttäuschend unspektakulär. Doch vielleicht ist in den 382 Seiten der Endfassung die eine oder andere Perle verborgen, die entdeckt sein will.

[Admin: Posting geringfügig editiert am 26.08.2018]

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

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EHS, Frankreich, Klitzing, Kausalzusammenhang, Elektrosensibilität, Salford, Steuer, Belpomme, Rivasi, Tribaudeau

Frankreich (2018): Regierungsbericht zu "Elektrosensibilität"

Dr. Ratto, Freitag, 24.08.2018, 08:27 (vor 2066 Tagen) @ H. Lamarr

Eine jüngst, ich meine in Australien durchgeführte EHS-Studie fand daher im gewohnten Lebensumfeld der Betroffenen statt, erbrachte aber dennoch nur das übliche Ergebnis, dass die Probanden eine gezielte Feldprovokation auch unter diesem Umständen nicht "spüren" konnten.

Es gibt zwei, eine aus Australien und eine aus Holland, mit vergleichbarem Ergebnis.

ANSES finanziert eine dritte, die ist noch in Arbeit und wurde bei der BioEM 2018 vorgestellt:

Collaborative development of an innovative provocation protocol in studying
electrohypersensitivity

Maryse Ledent1, Maël Dieudonné2, Jimmy Bordarie3, Willy Pirard4, Benjamin Vatovez4, Christophe Geuzaine5, Veronique Beauvois5 & Luc Verschaeve1

1Risk Assessment, Scientific Institute of Public Health (WIV-ISP), Brussels, Belgium, 1050
2Centre Max Weber (CMW), Lyon, France, 69007
3Université Sorbonne Nouvelle, Paris, France, 75231
4Institut Scientifique de Service Public (ISSeP), Liège, Belgium, 4000
5Applied and Computational Electromagnetics (ACE), Université de Liège, Liège, Belgium, 4000

Keywords: Human, All Frequencies, Work in Progress
Presented by: Maryse Ledent

Electrohypersensitivity syndrome (EHS) is characterised by a variety of non-specific symptoms that are attributed to electromagnetic fields (EMF) by electrohypersensitive people (EHP). However, despite the great distress of certain individuals, symptoms cannot be objectively attributed to EMF so far: results of provocation studies converge to the conclusion that EHP do not perceive and do not respond physiologically to EMF. However, a critical review of these studies reveals that several parameters have not been controlled or considered. An original provocation test is being developed. To meet acceptability criteria an iterative co-creation process involving EHP, researchers and technical experts is implemented.

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Electrohypersensitivity, Dieudonné

Selbstbetrug macht Symptome für "Elektrosensible" erträglich

H. Lamarr @, München, Freitag, 24.08.2018, 10:02 (vor 2066 Tagen) @ Dr. Ratto

Es gibt zwei, eine aus Australien und eine aus Holland, mit vergleichbarem Ergebnis.

:danke:

Maël Dieudonné

Der Franzose hat bereits 2014 publiziert, gekonnter Selbstbetrug mache die Symptome für "Elektrosensible" erträglich. Ein interessanter Kernsatz aus dem verlinkten Strang lautet: Die Zuordnung der Beschwerden zu EMF sei das einzig gemeinsame bei EHS.

Die jüngste Entwicklung in der Erforschung des Phänomens "Elektrosensibilität" geht unübersehbar in Richtung psychische Situation der Betroffenen. Damit ist die Wissenschaft mMn auf der richtigen Spur.

Was bisher von der Forschung jedoch komplett übersehen wird ist die infizierende Rolle des persönlichen Umfelds der Betroffenen. Damit meine ich das hohe Infektionsrisiko, das von unseriösen Umweltmedizinern, Baubiologen und organisierten Mobilfunkgegnern ausgeht. Ich sehe diese Infektionsherde praktisch ausnahmslos im Umfeld von EHS emsig am Wirken, mit dem Ziel, materiellen oder immateriellen Gewinn aus den EHS zu ziehen. Für meine These spricht u.a. auch, dass die Entwicklung der EHS-Population parallel mit der Verbreitung des Internets als Infektionskanal zugenommen hat. Gelänge es, diese Verbindung zwischen Profit und EHS wirksam zu kappen, das Phänomen EHS würde sich wahrscheinlich umgehend wieder in die Wunderlampe zurückziehen, aus der es Mitte der 1990er gekrochen kam. Vor dem Kappen stünde aber erst einmal der Ansatz, die unheilbringene Verbindung von EHS zu den vermeintlichen "Helfern" auf dem Parkett der Wissenschaft nachzuweisen und so ein neues Erklärungsmodell zu finden, was EHS maßgebend hervorbringt und/oder am Leben erhält.

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Geschäftsmodell, EHS, Umweltmediziner, Psychotherapeut, Baubiologen, Motivation, Verein, Netzwerk, Selbstbetrug, Infektionsgefahr, Infektionsherd, materieller/immaterieller Profit

Symptome beruhen auf Nocebo

Dr. Ratto, Donnerstag, 06.09.2018, 15:34 (vor 2053 Tagen) @ H. Lamarr

Die jüngste Entwicklung in der Erforschung des Phänomens "Elektrosensibilität" geht unübersehbar in Richtung psychische Situation der Betroffenen. Damit ist die Wissenschaft mMn auf der richtigen Spur.

Da haben sie Recht. Hier eine neue Auswertung alter Daten aus England die auch dafür spricht.

Symptom Presentation in Idiopathic Environmental Intolerance With Attribution to Electromagnetic Fields: Evidence for a Nocebo Effect Based on Data Re-Analyzed From Two Previous Provocation Studies

Individuals with idiopathic environmental illness with attribution to electromagnetic fields (IEI-EMF) claim they experience adverse symptoms when exposed to electromagnetic fields (EMFs) from mobile telecommunication devices. However, research has consistently reported no relationship between exposure to EMFs and symptoms in IEI-EMF individuals. The current study investigated whether presence of symptoms in IEI-EMF individuals were associated with a nocebo effect. Data from two previous double-blind provocation studies were re-analyzed based on participants’ judgments as to whether or not they believed a telecommunication base station was “on” or “off”. Experiment 1 examined data in which participants were exposed to EMFs from Global System for Mobile Communication, Universal Mobile Telecommunications System, and sham base station signals. In Experiment 2, participants were exposed to EMFs from Terrestrial Trunked Radio Telecommunications System and sham base station signals. Our measures of subjective well-being indicated IEI-EMF participants consistently reported significantly lower levels of well-being, when they believed the base station was “on” compared to “off”. Interestingly, control participants also reported experiencing more symptoms and greater symptom severity when they too believed the base station was “on” compared to “off”. Thus, a nocebo effect provides a reasonable explanation for the presence of symptoms in IEI-EMF and control participants.


[Admin: Deutsche Übersetzung am 13.01.2023 angefügt ...

Symptomentwicklung bei idiopathischer Umweltintoleranz mit Zuordnung zu elektromagnetischen Feldern: Beweise für einen Nocebo-Effekt auf der Grundlage von neu analysierten Daten aus zwei früheren Provokationsstudien

Personen mit idiopathischen Umweltkrankheiten, die auf elektromagnetische Felder zurückgeführt werden (IEI-EMF), geben an, dass sie unter negativen Symptomen leiden, wenn sie elektromagnetischen Feldern (EMF) von mobilen Telekommunikationsgeräten ausgesetzt sind. Die Forschung hat jedoch durchwegs keinen Zusammenhang zwischen der Exposition gegenüber EMF und den Symptomen bei IEI-EMF-Personen festgestellt. In der aktuellen Studie wurde untersucht, ob das Vorhandensein von Symptomen bei IEI-EMF-Personen mit einem Nocebo-Effekt verbunden ist. Die Daten aus zwei früheren Doppelblind-Provokationsstudien wurden erneut analysiert, und zwar auf der Grundlage der Einschätzungen der Teilnehmer, ob sie glaubten, dass eine Mobilfunk-Basisstation "an" oder "aus" war. Experiment 1 untersuchte Daten, bei denen die Teilnehmer GSM- oder UMTS-Signalen ausgesetzt oder scheinexponiert waren. In Experiment 2 wurden die Teilnehmer EMF von terrestrischen Bündelfunksystemen oder einer Scheinexposition ausgesetzt. Unsere Messungen des subjektiven Wohlbefindens ergaben, dass IEI-EMF-Teilnehmer durchweg über ein signifikant niedrigeres Wohlbefinden berichteten, wenn sie glaubten, die Basisstation sei "an" im Vergleich zu "aus". Interessanterweise berichteten auch die Teilnehmer der Kontrollgruppe über mehr Symptome und einen höheren Schweregrad der Symptome, wenn sie ebenfalls glaubten, die Basisstation sei "an", im Vergleich zu "aus". Somit bietet der Nocebo-Effekt eine plausible Erklärung für das Auftreten von Symptomen bei IEI-EMF- und Kontrollteilnehmern.]

Belpomme und von Klitzing drückten sich vor Anhörung

H. Lamarr @, München, Donnerstag, 01.11.2018, 19:21 (vor 1997 Tagen) @ H. Lamarr

Am 27. März 2018 legte Anses, die Nationale Gesundheitsagentur für Lebensmittel, Umwelt und Arbeitssicherheit, die Endfassung des Berichts vor (Hypersensibilité électromagnétique ou intolérance environnementale idiopathique attribuée aux champs électromagnétiques), einen 382 Seiten umfassenden Wälzer in französischer Sprache. Wer soll das alles lesen, bereits die Zusammenfassung zieht sich über viele Seiten hin ...

Der Bericht der EHS-Arbeitsgruppe von Anses über "Elektrosensibilität" enthält auf PDF-Seite 112 von 382 ein paar aufschlussreiche Sätze über zwei Fixsterne der Elektrosensiblenszene. Die Sätze sind unter dem Aspekt zu betrachten, dass beide liebend gerne vor Laienpublikum auftraten, dort hell strahlten und sich den Huldigungen ihrer Anhänger hingaben – auf wissenschaftlichen Veranstaltungen mit Fachpublikum aber waren sie nicht zu sehen.

Dominique Belpomme

Originaltext von Anses: Par ailleurs, le Pr Belpomme, qui a mis en place une consultation de médecine environnementale dans une clinique privée en septembre 2009, où sont pris en charge notamment des malades qui s’interrogent sur leur éventuelle EHS, a été invité à plusieurs reprises par l’Anses pour être auditionné (le 10 juillet, le 30 septembre, puis le 6 novembre 2014). À chaque fois, le Pr Belpomme a reporté puis décliné l’invitation. Il n’a pas non plus souhaité répondre par écrit aux questions qui lui ont été adressées par le groupe de travail (cf. liste de questions en Annexe 3).
Les experts du groupe de travail déplorent de ne pas avoir pu s’entretenir avec le Pr Belpomme au sujet de l’EHS. Ils ont néanmoins analysé les résultats qu’il a publiés fin 2015 (Belpomme, 2015) (voir analyse détaillée de l’article au § 6.1.2 et Annexe 4).

Bearbeitete Google-Übersetzung: Prof. Belpomme hat im September 2009 in einer Privatklinik eine umweltmedizinische Sprechstunde eingerichtet, in der insbesondere "elektrosensible" Patienten behandelt werden. Anses hat Prof. Belpomme mehrmals zu einer Anhörung eingeladen (10. Juli, 30. September, 6. November 2014), er aber verschob jeden Termin und lehnte am Ende eine Teilnahme an der Anhörung ab. Er wollte auch nicht schriftlich auf die Fragen der Arbeitsgruppe antworten (siehe Liste der Fragen in Anhang 3).
Die Experten der Arbeitsgruppe bedauern, dass sie mit Prof. Belpomme nicht über EHS sprechen konnten. Sie analysierten dennoch seine Studienergebnisse, die er Ende 2015 veröffentlichte (Belpomme, 2015) (siehe detaillierte Analyse des Artikels in § 6.1.2 und Anhang 4).


Lebrecht von Klitzing

Originaltext von Anses: Le groupe de travail a également pris contact avec le Pr Von Klitzing, qui a reçu des personnes se déclarant EHS en consultation en Allemagne, dès le 23 juillet 2014. Dans l’une de ses publications (Tuengler et al., 2013), le Pr Von Klitzing évoquait un trouble fonctionnel du système nerveux autonome (voir analyse détaillée de l’article au § 6.2.1.2.3). Après avoir accepté, dans un premier temps, l’invitation de l’Anses pour une audition initialement prévue le 6 novembre 2014, le Pr Von Klitzing a annulé sa participation et n’a dès lors plus souhaité être auditionné par le groupe.

Bearbeitete Google-Übersetzung: Die Arbeitsgruppe nahm auch Kontakt zu Prof. von Klitzing auf, der in Deutschland "Elektrosensible" empfängt und testet. In einer seiner Publikationen (Tuengler et al., 2013) berichtete von Klitzing von einer Funktionsstörung des autonomen Nervensystems (siehe ausführliche Analyse des Artikels in 6.2.1.2.3). Nachdem Prof. von Klitzing zunächst die Einladung von Anses zu einem ursprünglich für den 6. November 2014 geplanten Gespräch angenommen hatte, zog er später seine Teilnahme zurück und wollte nicht mehr von der Arbeitsgruppe einvernommen werden.

Was Dr. Ratto von Tüngler et al. hält hat sie <hier> aufgeschrieben, der Rest des dortigen Strangs hat beträchtlichen Unterhaltungswert. Anses schließt sich, keine Überraschung, der Bewertung von Ratto an. Und ab PDF-Seite 174 von 382 bekommt auch Belpomme von Anses seine Grenzen aufgezeigt, ihm werden methodische Fehler sowie Berechnungsfehler seiner 2015er Studie angekreidet. Zwar brachte Belpomme 2016 ein Corrigendum heraus, das die Berechnungsfehler beseitigte, dennoch fertigt ihn die Anses-Arbeitsgruppe ab: "Der Artikel von Belpomme et al. (2015) stellt in keiner Weise einen Zusammenhang zwischen einer quantitativen Anomalie der analysierten Biomarker und der Entstehung von [EHS-]Symptome her."

Game over. Next Player.

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Game over, Frankreich, Analyse, Klitzing, Dialog, Umweltmedizin, Belpomme, Renommee, Arbeitsgruppe, Sachkompetenz

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