Jakob: 4,3 Millionen Schweizer können nicht irren (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Samstag, 14.10.2017, 13:08 (vor 2358 Tagen)

Seit 2. Februar 2016 reitet Hans-U. Jakob einen Gaul, den er für einen stolzen Rappen hält, andere hingegen sehen das Tier beim Schlachter auf dem Hof. Es geht in dieser Geschichte um die irreführende Uminterpretation amtlich erhobener Zahlen durch einen stadtbekannten Dyskalkuliker.

Was war geschehen? In einer Ende Januar 2016 publizierten Erhebung des eidgenössischen Bundesamtes für Statistik über die Wahrnehmung von acht Umweltrisiken in der Bevölkerung, landete das Risiko "Mobilfunkantennen" auf dem letzten Platz, sieben andere Umweltrisiken, z.B. Kernkraftwerken oder Klimawandel, fürchten die Schweizer mehr. Das IZgMF berichtete am 26. Januar 2016 über diese Erhebung und schreckte damit Gigaherz-Präsident Jakob auf. Der "Alp Öhi", wie er genannt werden möchte, verwandelte eine Woche später den wenig eindrucksvollen letzten Platz in eine eindrucksvolle Zahl, indem er die laut Erhebung rd. 50 Prozent wegen Mobilfunkantennen mehr oder weniger besorgten Schweizer auf einen Absolutwert umrechnete. Heraus kamen bei ihm 4,3 Mio. wegen Mobilfunkantennen Besorgte. Mit dieser Zahl geht Jakob seither hausieren. Um sich und sein Anliegen wichtig zu machen, trägt er bei jeder sich bietenden Gelegenheit vor:

4,3 Millionen können sich nicht irren!

Beispiel 1, Beispiel 2, Beispiel 3, Beispiel 4

Doch wie ist es nun tatsächlich, können 4,3 Mio. Schweizer wirklich nicht irren? Selbstverständlich können sie das. Am 5. März 1933 irrten z.B. noch viel mehr Deutsche, nämlich 17'277'180, als sie den Nationalsozialisten ihre Stimme gaben und die NSDAP zur mit Abstand stärksten Kraft im achten Deutschen Reichstag machten. Polemiker kennen einen anderen Vergleich: Esst mehr Scheiße, Milliarden Fliegen können sich nicht irren!

Dessen ungeachtet könnte Jakob weiter darauf beharren, (hochgerechnet) 4,3 Mio. Schweizer hätten aber nun mal bekundet, sie würden Mobilfunkantennen für gefährlich halten. Doch zwischen dem, was Menschen auf Befragung sagen und dem, wie sie dann tatsächlich handeln, können Welten liegen. Gefühlt weiß das jeder von uns. In diesem Artikel der Berner Zeitung wird das Gefühl jedoch am Beispiel einer Erhebung zum Schweizer Biomarkt einmal ganz konkret objektiviert. Das Ergebnis zeigt wie wenig belastbar Jakobs Bemühen ist, etwas Kleines groß zu reden. In seiner Bio-Erhebung fragte das Bundesamt für Statistik Schweizer, wie häufig sie Biolebensmittel einkauften: «Immer», antworteten sieben Prozent. «Meistens», erklärten 33 Prozent der Befragten. Weitere 34 Prozent gaben an, «gelegentlich» Bioprodukte zu kaufen. Glaubt man den Antworten, müssten im Mittel ungefähr 30 Prozent aller Lebensmitteleinkäufe in der Schweiz Bio-Produkten gelten. Tatsächlich sind es jedoch nur sieben Prozent.

Hintergrund
Feindbildüberhöhung: Ein Knirps gegen Giganten
Gigaherz-Präsident: Das peinliche Schneiderlein

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

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Jakob, Schweiz, Querulant, Berater, Scheinriese, Pseudowissen, Feindbildüberhöhung, Halbwissen, Störfaktor

Jakob: 4,3 Millionen Schweizer können nicht irren

H. Lamarr @, München, Sonntag, 29.10.2017, 22:14 (vor 2343 Tagen) @ H. Lamarr

Was war geschehen? In einer Ende Januar 2016 publizierten Erhebung des eidgenössischen Bundesamtes für Statistik über die Wahrnehmung von acht Umweltrisiken in der Bevölkerung, landete das Risiko "Mobilfunkantennen" auf dem letzten Platz, sieben andere Umweltrisiken, z.B. Kernkraftwerken oder Klimawandel, fürchten die Schweizer mehr.

Um es noch einmal deutlicher zu sagen: Das schweizer BfS fragte nach nur acht Umweltrisiken. Hätte das Amt nach zehn oder 20 gefragt, wäre das Bild ein ganz anderes, denn dann verteilten sich die Wahrnehmungen auf mehr Risiken und das bedeutet, dass an den Prozentwerten der ursprünglichen acht Risiken geknabbert würde. Warum die Statistiker nach nur acht Risiken fragten und warum es ausgerechnet diese acht waren, darüber gibt die Erhebung keine Auskunft.

Heute Abend habe ich ein bisschen auf der Website des BfS gestöbert und eine Entdeckung gemacht, die Jakobs 4,3-Millionen-Märchen wie ein Kartenhaus zusammenfallen lässt. Mehr dazu in Kürze. Den Titel des kommenden Postings weiß ich schon:

4,3 Mio. Schweizer können nicht irren, Jakob schon

Bis bald :waving:.

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4,3 Mio. Schweizer können nicht irren, Jakob schon

H. Lamarr @, München, Montag, 30.10.2017, 20:20 (vor 2342 Tagen) @ H. Lamarr

Heute Abend habe ich ein bisschen auf der Website des BfS gestöbert und eine Entdeckung gemacht, die Jakobs 4,3-Millionen-Märchen wie ein Kartenhaus zusammenfallen lässt. Mehr dazu in Kürze. Den Titel des kommenden Postings weiß ich schon:

4,3 Mio. Schweizer können nicht irren, Jakob schon

Manchmal sieht man vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr. Das schweizer Bundesamt für Statistik (BfS) hat 2015 die "Einschätzung der Gefahr für Mensch und Umwelt" abgefragt, dies ist die Erhebung, die Hans-U. Jakob zu seinem 4,3-Mio.-Märchen inspiriert hat, auf dem er jetzt seit bald zwei Jahren herumreitet.

Doch das BfS hat seinerzeit in der Bevölkerung noch viel mehr abgefragt, unter anderem die "Wahrnehmung von Umweltbedingungen in der Wohnumgebung" womit salopp ausgedrückt gemeint ist, was Schweizer in ihrem Wohnumfeld am meisten stört. Das Ergebnis dieser Erhebung zeigt die folgende Grafik:

[image]

Wie unschwer zu erkennen ist, liegen Mobilfunkantennen (und Hochspannungsleitungen) wieder auf dem letzten Platz, doch diesmal sind die Prozentsätze nur sehr klein.

2011 störten sich 3,4 Prozent sehr an Antennen und Leitungen, 7,0 störten sich daran eher. Nahezu unverändert die Werte für 2015: 3,3 Prozent sehr und 7,2 Prozent eher.

Jakob jubelt, 52 Prozent der Schweizer (4,3 Mio.) würden Mobilfunkantennen für sehr oder eher gefährlich halten. Dem steht jetzt entgegen: Nur 10,5 Prozent der Schweizer sagen, sie stören sich sehr oder eher an Mobilfunkantennen oder Hochspannungsleitungen, rund 90 Prozent stören sich überhaupt nicht oder eher nicht an diesen Infrastruktureinrichtungen. Jakobs Millionenheer schrumpft bei dieser Erhebung von 4,3 Mio. auf 879'000.

Fazit: Warum sich 5-mal mehr Schweizer vor Mobilfunkantennen fürchten, als dass sie sich in ihrem Wohnumfeld daran stören, weiß niemand genau. Doch Furcht ist eine höchst wackelige Größe, Furcht kann nach belieben kommen und gehen und sie kann vor allem auch gezielt geschürt werden. Anders der Störfaktor von Mobilfunkantennen, dieser ist nicht ganz so leicht manipulierbar, entweder etwas stört einen oder es stört nicht. Nach meiner Einschätzung ist der Störfaktor deshalb die belastbarere Zahl. Auch deshalb, weil zuletzt (2015) Umweltbelastungen von den Schweizern generell nur weit abgeschlagen als drittwichtigstes Problem des Landes gesehen werden (6,7 Prozent) mit fallender Tendenz. Als wichtigstes Problem sehen 25,6 Prozent der Schweizer die Gesundheitskosten, gefolgt von der Zuwanderung von Ausländern (16,5). Auf den hinteren Plätzen rangieren nach den Umweltbelastungen die Arbeitslosigkeit und die Kriminalität.

Hintergrund
Omnibus-Erhebung 2015: Medienmitteilung mit Grafiken (PDF)
Wahrnehmung von Umweltbedingungen in der Wohnumgebung (Datentabelle)

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Fehlinterpretation, Schweiz, Umfrage, Querulant, Zivilbevölkerung, Umweltbelastung

66 Mio. Ägypter können sich nicht irren!

H. Lamarr @, München, Samstag, 20.01.2018, 18:26 (vor 2260 Tagen) @ H. Lamarr

Der "Alp Öhi", wie er genannt werden möchte, verwandelte eine Woche später den wenig eindrucksvollen letzten Platz in eine eindrucksvolle Zahl, indem er die laut Erhebung rd. 50 Prozent wegen Mobilfunkantennen mehr oder weniger besorgten Schweizer auf einen Absolutwert umrechnete. Heraus kamen bei ihm 4,3 Mio. wegen Mobilfunkantennen Besorgte. Mit dieser Zahl geht Jakob seither hausieren. Um sich und sein Anliegen wichtig zu machen, trägt er bei jeder sich bietenden Gelegenheit vor:

4,3 Millionen können sich nicht irren!

Ägypten hat rd. 94,6 Mio. Einwohner.

43 Prozent der ägyptischen Männer sind davon überzeugt, dass Frauen es mögen, sexuell belästigt zu werden.

84 Prozent der Ägypterinnen sind der Meinung, dass Geschlechtsgenossinnen, die sich "provozierend" anziehen, es verdienten, belästigt zu werden.

90 Prozent der männlichen, aber auch 70 Prozent der weiblichen Befragten [in Ägypten] erklärten, dass Frauen Schläge tolerieren sollten, "um die Familie zusammenzuhalten".

87 Prozent der Ägypterinnen zwischen 15 und 49 Jahren sind beschnitten.

70 Prozent der Ägypter (66,2 Mio.) und 56 Prozent der Ägypterinnen befürworten die weibliche Genitalverstümmelung.

Quelle

Die Gründe, warum Schweizer sich vor harmlosen Mobilfunk-Sendemasten fürchten sind ganz ähnlich zu denen, warum die Beschneidung von Frauen in Ägypten als "normal" betrachtet wird. In der Quelle heißt es dazu:

Noch immer kann mehr als ein Viertel der Ägypterinnen nicht schreiben und lesen, auch deshalb "fallen Frauen noch immer auf die Lügen von Scharlatanen herein", sagt Mahmoud.

Dort also wirken Scharlatane, in der Schweiz wirken selbsternannte Aufklärer.

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Instant-Experte, Querulant, Textverständnis, Alarm, Scharlatane

Marktforscher irren sich nicht, sondern sie ...

H. Lamarr @, München, Freitag, 02.02.2018, 00:19 (vor 2248 Tagen) @ H. Lamarr

Manipulation in der Marktforschung

Wie Umfragen gefälscht und Kunden betrogen werden

Marktforscher sollen herausfinden, was die Deutschen denken. Doch die Branche hat nach SPIEGEL-Informationen massive Probleme mit der Qualität ihrer Daten. Manipulierte Umfragen sind keine Ausnahme. weiter ...

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Das Fleisch ist billig und die Moral ist schwach

H. Lamarr @, München, Dienstag, 05.06.2018, 17:29 (vor 2124 Tagen) @ H. Lamarr

Dessen ungeachtet könnte Jakob weiter darauf beharren, (hochgerechnet) 4,3 Mio. Schweizer hätten aber nun mal bekundet, sie würden Mobilfunkantennen für gefährlich halten. Doch zwischen dem, was Menschen auf Befragung sagen und dem, wie sie dann tatsächlich handeln, können Welten liegen.

Noch ein Beispiel für die Diskrepanz zwischen Umfrageergebnissen und tatsächlichem Verhalten.

Seit Anfang April kennzeichnet Lidl seine Fleischprodukte mit einem eigenen Stufensystem. So sollen Kunden des Discounters auf den ersten Blick erkennen, wie tierfreundlich ein Produkt entstanden ist. Die einzelnen Stufen entsprechen dabei bestehenden Tierschutzstandards - von den gesetzlichen Mindestanforderungen an die konventionelle Tierhaltung auf der untersten Stufe, über das eher schwache staatliche Tierwohl-Label bis hin zu Biostandard auf der höchsten Stufe.

Allerdings zeigen die vergangenen zwei Monate seit Einführung der Kennzeichnung laut Lidl: Je tierfreundlicher und somit teurer ein Produkt, desto weniger wird es nachgefragt. Das sagte Jan Bock, Einkaufschef von Lidl Deutschland, der "Süddeutschen Zeitung". Dieser Trend widerspreche Umfragewerten, wonach 90 Prozent der Verbraucher sich bereit erklärten, mehr Geld für Fleisch aus tierfreundlicherer Produktion auszugeben. "Die Moral endet oft am Geldbeutel, das ist nach unserer Erfahrung so", sagte Bock. weiter ...

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Moral

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