Athem2: UMTS macht müde, nicht schlaflos (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Samstag, 30.12.2017, 21:23 (vor 2301 Tagen)

Auszug aus einem sogenannten Studienreport von Diagnose-Funk, in dem es auch um die Athem2-Studie der österreichischen Auva geht:

Bei den Tests auf das Reaktionsvermögen zeigten sich bei 1,6 W/kg geringere Zeiten, aber eine höhere Fehlerrate. Auch bei den Wahrnehmungs- und Aufmerksamkeitstests war das Ergebnis bei 1,6 W/kg signifikant schlechter, die richtigen Reaktionen nahmen täglich ab, bei der Aufmerksamkeit sogar hochsignifikant. Die Ergebnisse waren bei Bestrahlung an der linken Kopfseite schlechter als an der rechten. Das Erinnerungsvermögen war ebenfalls bei 1,6 W/kg signifikant schlechter, die richtigen Antworten wurden weniger bei kürzeren Reaktionszeiten. Andere Zeichen wie Müdigkeit und die Bereitschaft, sich anzustrengen, und die Anspannung waren auch signifikant verändert. Bei komplexen Aufgaben waren Geschwindigkeit und Richtigkeit signifikant vermindert. Mit diesen Ergebnissen werden die Ergebnisse von ATHEM-1 bestätigt, wie auch Ergebnisse von internationalen Veröffentlichungen.

Das, worum es mir geht, habe ich farblich rot markiert: Während andere Befunde eindeutig bewertet werden (signifikant schlechter ...), kommt es z.B. beim Symptom "Müdigkeit" nur zu der merkwürdig unscharfen Formulierung "verändert". Da sich eine Veränderung jedoch zum Guten oder Schlechten hin einstellen kann, ist der alleinige Hinweis auf eine Veränderung nichtssagend.

Warum aber verschleiert Diagnose-Funk, ob die Probanden des kognitiven Studienteils der Athem2-Studie nun unter UMTS-Feldeinwirkung (Handy) wacher oder schläfriger wurden? Wird überhaupt etwas verschleiert oder wurde die Formulierung gewählt, weil die drei Messgrößen Müdigkeit, Anstrengungsbereitschaft und Anspannung sich nicht alle in die gleiche Richtung (z.B. schlechter) entwickelten? Eine Antwort darauf wird es nicht geben, die Formulierung ist jedenfalls so schwammig, dass sich alles und nichts dahinter verbergen kann. Auf der Suche nach einer Erklärung stieß ich auf ein plausibles Motiv: Behauptete Schlafstörungen haben von Anfang an eine dominante Rolle in der Argumentation von Mobilfunkgegnern gespielt. Zwar wurde diese Argumentation von der Wissenschaft systematisch schon vor rund zehn Jahren widerlegt, dennoch muss es Interessenvertretern der Anti-Mobilfunk-Linie auch heute noch gegen den Strich gehen, einzuräumen, dass UMTS den Schlaf nicht stört, sondern sogar müde macht. Denn dies wäre die restlose Aufgabe des einst tragenden Arguments, mit dem sich auch heute noch Laien beeindrucken lassen. Da aber dieses denkbare Motiv überhaupt nur dann in Betracht kommt, wenn die Studie müde Handynutzer gefunden hat, blieb mir der Blick in die Athem2-Studiendokumentation nicht erspart.

Die Suche nach dem Begriff "Müdigkeit" führte zu keinem einzigen Treffer, da dort ersatzweise die Begriffe "Wachheit" und "Schläfrigkeit" verwendet werden. Auf Seite 73 von 188 findet sich dann aber tatsächlich eine Bestätigung des Verdachts:

Der Zunahme der Schläfrigkeit, war in der Gruppe mit der höheren SAR signifikant stärker ausgeprägt. Über die Woche blieb diese Zunahme bei der Bedingung mit der niedrigeren SAR [0,1 W/kg; Anm. Spatenpauli] konstant, während bei hoher SAR [1,6 W/kg; Anm. Spatenpauli] diese Zunahme von Tag zu Tag geringer wurde, wobei dieser Effekt bei rechtsseitiger Exposition am stärksten war.

Ob die Autoren der Athem2-Passage in dem Diagnose-Funk-"Studienreport" tatsächlich ein unbequemes Studienergebnis gezielt verschleiern wollten lässt sich mit der kleinen Textrecherche oben allein nicht beweisen. Doch dies ist auch nicht meine Absicht. Ich wollte nur an einem konkreten Beispiel zeigen, wie sich durch "geschickte" Wortwahl unerwünschte Sachverhalte risikolos so entschärfen lassen, dass unaufmerksame Leser einfach drüberweglesen. Die Anti-Mobilfunk-Szene hat in dieser Disziplin leider besorgniserregend ausgeprägte Fertigkeiten zur Täuschung entwickelt, Belege dafür finden sich in diesem Forum in Hülle und Fülle.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

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ATHEM-Projekt

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