SSK hielt noch 2001 "Elektrosensibilität" für möglich (Elektrosensibilität)

H. Lamarr @, München, Dienstag, 02.08.2016, 18:56 (vor 2815 Tagen)

Die deutsche Strahlenschutzkommission (SSK) verabschiedete anlässlich ihrer 173. Sitzung am 04. Juli 2001 die Empfehlung "Grenzwerte und Vorsorgemaßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor elektromagnetischen Feldern". Darin heißt es zum Stichwort "Elektrosensibilität":

Bereits eine frühere europaweite Studie hat gezeigt, dass die Anzahl von Personen, die sich als elektrosensibel bezeichnen, regional sehr unterschiedlich ist und ein Nord-Süd-Gefälle aufweist [Ber 97]. Ein Nachweis, dass schwache Magnetfelder Krankheitssymptome verursachen konnten, war bisher nicht möglich. Laboruntersuchungen ergaben, dass Symptome mit der subjektiven Überzeugung über das Vorhandensein von Feldern und nicht mit deren tatsächlichem Auftreten korreliert waren [Wennberg, A., Franzen, O., Paulsson, L. E.: Electromagnetic Field Provocations of Subjects wie Electromagnetic Hypersensitivity. COST 244 Proc. Graz 1994, DG XIII/72/95, 133-139].

In Untersuchungen zur Wahrnehmbarkeit schwacher elektrischer und magnetischer 50 Hz Felder (100 V/m bzw. 4 µT) ergaben sich bei einem zweiseitigen statistischen Test, also der Einbeziehung sowohl richtiger als auch falscher Antworten, statistisch signifikante Ergebnisse. Die Untergruppe der elektrosensiblen Personen unterschied sich jedoch nicht von der Kontrollgruppe, ebenso konnten keine Unterschiede bezüglich einer Beeinflussung der Schlafqualität gefunden werden [Mül 00].

Gruppen von Personen, die über Gesundheitsbeeinträchtigungen klagen, die sie auf die Einwirkung elektromagnetischer Felder zurückführen, sind sehr inhomogen, sowohl in Bezug auf ihre soziologischen Eigenschaften und das Beschwerdebild als auch bezüglich objektiv erfassbarer Empfindlichkeitsparameter. Das bedeutet, dass Elektrosensibilität medizinisch nach wie vor ein Arbeitsbegriff ist und sich auch indirekt nicht über eine Symptom- oder Risikogruppencharakterisierung erfassen lässt.

Der Leidensdruck der betroffenen Personen kann jedoch erheblich sein und die Überzeugung von einer kausalen Rolle elektromagnetischer Felder so groß werden, dass sich elektrosensible Personen zu gravierenden Änderungen der Lebensumstände entschließen. Im Zuge der multidisziplinären Behandlung Betroffener ist die Reduzierung von Feldern einer der angewendeten Ansätze [Lena Hillert 98]. Ein kausaler Zusammenhang zu elektromagnetischen Feldern kann daraus jedoch nicht abgeleitet werden.

Die bisherigen Ergebnisse lassen es nicht zu, die Elektrosensibilitäts-Hypothese zu verwerfen. Sie weisen jedoch auch darauf hin, dass außer der hypothetischen Rolle der elektromagnetischen Felder auch andere Faktoren eine wesentliche Bedeutung haben müssen. Die bisherigen Ergebnisse reichen derzeit nicht aus, um einen ausreichenden wissenschaftlich begründeten Verdacht darzustellen. Weitere Forschung ist jedoch gerechtfertigt.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

SSK sorgte sich 2001 um leichtsinnige Produktnormung

H. Lamarr @, München, Dienstag, 02.08.2016, 19:23 (vor 2815 Tagen) @ H. Lamarr

Die deutsche Strahlenschutzkommission (SSK) verabschiedete anlässlich ihrer 173. Sitzung am 04. Juli 2001 die Empfehlung "Grenzwerte und Vorsorgemaßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor elektromagnetischen Feldern".

In dem Papier sorgt sich die SSK mit deutlichen Worten auch über einen ihrer Einschätzung nach besorgniserregenden Trend in der europäischen Produktnormung:

Die SSK stellt mit Sorge fest, dass die Produktnormung auf europäischer Ebene zunehmend die Schutzüberlegungen der EU-Ratsempfehlung und der ICNIRP unterläuft. Dazu zählt z.B. das völlige Ausschöpfen des Expositionsspielraumes bereits durch ein einziges Produkt [gemeint ist z.B. ein Handy, Anm. Spatenpauli], die Nichtberücksichtigung von (erheblichen) Messunsicherheiten und die Expositionsabschätzung auf der Basis unrealistisch günstiger Bedingungen. Da sich die europäische Produktnormung der nationalen Regelkompetenz entzieht, empfiehlt die SSK, sich nachdrücklich für die Einhaltung der EU-Ratsempfehlung auch durch EU-Normungsgremien einzusetzen.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

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Messunsicherheit

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