Handynutzung in Fahrgastzellen vs. Nutzung im Freien (Forschung)
DMF replizierte IZgMF-Messprojekt mit Linienbus
Wir waren noch stramme Mobilfunkgegner, als wir im Mai 2004 das Projekt Elektrosmogmessung in einem Linienbus anpackten. Dabei ging es darum herauszufinden wie stark die Sendeleistung eines Handys hochgeregelt wird, wenn ein Passagier an der Haltestelle im Freien telefoniert und während des Telefonats einen Bus besteigt. Außerdem haben wir gemessen, wie stark die Passagiere eines Linienbusses befeldet werden, wenn drei von ihnen gleichzeitig im Bus telefonieren. Wir haben uns damals sehr viel Mühe gegeben und ich meine noch heute: Wir haben damals (für Dilettanten) einen guten Job gemacht.
Natürlich replizierte das DMF nicht unser Messprojekt, wie oben behauptet, aber vielleicht hatten wir damals einen Denkanstoß gegeben. Denn noch im Dezember des gleichen Jahres (2004) startete im Auftrag des BfS ein Projekt, bei dem das IZgMF-Projekt Pate gestanden haben könnte: Bestimmung der realen Exposition bei Handynutzung in teilgeschirmten Räumen im Vergleich zur Exposition unter günstigen Bedingungen im Freien.
Die Hypothese, dass die drahtlose Telekommunikation in teilgeschirmten Räumen (z. B. Handynutzung in Kraftfahrzeugen, Bahn, etc.) zu erhöhten Expositionen durch hochfrequente elektromagnetische Felder führt, sollte im Rahmen dieses Projektes überprüft werden. Hierzu war es erforderlich, die Expositionen in teilgeschirmten Räumen zu bestimmen und mit jenen Werten zu vergleichen, die unter günstigeren Sende- und Empfangsbedingungen im Freien auftreten.
Ergebnisse
Die durchgeführten numerischen Modellrechnungen haben ergeben, dass auch bei Betrieb mehrerer Handys in metallisch begrenzten bzw. teilgeschirmten Räumen (Pkw, Bus, Zug etc.) die empfohlenen Expositionsgrenzwerte bei Personen, die selbst nicht mobil telefonieren, nicht überschritten werden. Obwohl durch die reflektierende Umgebung und durch Signalüberlagerung lokal begrenzt Feldstärken in der Größenordnung einiger 10 V/m auftreten können, ist nicht mit der Überschreitung der SAR-Basisgrenzwerte (weder Ganz- noch Teilkörper SAR) zu rechnen. Die Berechnungen wurden als „worst-case“ Szenarien mit maximaler Sendeleistung der Mobiltelefone für GSM900, GSM1800 und UMTS durchgeführt. Es konnte weiterhin gezeigt werden, dass die maximale lokale Exposition (im Sinne der 10g gemittelten Teilkörper-SAR im Kopf) eines Handy-Nutzers hauptsächlich von seinem eigenen Handy verursacht wird. Für den Handynutzer stellt daher unter der Bedingung, dass alle Mobiltelefone mit gleicher maximaler Leistung senden (Leistungsregelung also vernachlässigt), das eigene Telefon die „fast ausschließliche relevante Ursache seiner Exposition dar“. Die zu Vergleichszwecken ebenfalls berechnete über den gesamten Kopf gemittelte SAR ist hingegen auch von der Anzahl und der Entfernung weiterer sendender Mobiltelefone in der Umgebung abhängig. Dies gilt für Mobilfunknutzer und für Nicht-Nutzer (Personen, die sich im gleichen Raum befinden, aber selbst nicht mobil telefonieren). Diese SAR Werte sind jedoch selbst unter ungünstigsten Annahmen, also sehr vielen gleichzeitig telefonierenden Personen im betrachteten Raum, immer geringer als die für Grenzwertbetrachtungen relevanten, über 10g gemittelten Werte. Für Nicht-Nutzer liegen die (nur) über den Kopf gemittelten Werte zudem bereits um mehr als einen Faktor 10 unter dem empfohlenen SAR-Grenzwert für Ganzkörper-Exposition, so dass auch diesbezüglich eine Überschreitung ausgeschlossen werden kann. Für den Nicht-Nutzer stellen die sendenden Mobiltelefone in der Umgebung die relevante Expositionsquelle dar. Für seine Exposition ist es entscheidend, ob ein Szenario in einem teilgeschirmten Raum oder eine vergleichbare Situation im Freien betrachtet wird. Die SAR-Werte in dem teilgeschirmten Raum können für einen Nicht-Nutzer um etwa eine Größenordnung über den Werten im Freien liegen. Allerdings sind die absoluten Werte um mehrere Größenordnungen (laut Berechnungen etwa mindestens 2 Größenordnungen) geringer als die des Handy-Nutzers, so dass sie im Vergleich zu den aktuellen Grenzwertempfehlungen als sehr niedrig bezeichnet werden können. Für den Handy-Nutzer ist die Frage, ob ein Szenario (Leistungsregelung vernachlässigt) in einem teilgeschirmten Raum oder ein vergleichbares Szenario im Freien betrachtet wird, weniger entscheidend. Die Erhöhung der über 10g gemittelten SAR-Werte im Kopf aufgrund der reflektierenden Umgebung betrug in den untersuchten realistischen Szenarien maximal 15%.
Neben dem Einfluss von Reflexionen sowie von Beiträgen der Mobiltelefone anderer Nutzer auf die maximal mögliche Exposition wird die tatsächlich effektive Exposition eines Nutzers auch von der Sendeleistungsregelung in Mobilfunknetzen bestimmt. Diesem Aspekt wurde mittels Messungen innerhalb und außerhalb verschiedener teilgeschirmter Räume versucht nachzugehen. Grundsätzlich bestätigte sich, dass die Exposition der Mobilfunknutzer aufgrund des vermehrten Auftretens höherer Sendeleistungspegel innerhalb teilgeschirmter Räumen höher ist als in vergleichbaren Szenarien außerhalb (Messungen in einem Pkw führten z.B. zu bis zu vierfach erhöhten durchschnittlichen Sendeleistungspegeln).
Abschlussbericht Teil 1 (4.886 KB)
Abschlussbericht Teil 2 (5.920 KB)
Erratum zum Abschlussbericht (18 KB)
Fazit
Grundsätzlich ist in teilgeschirmten Räumen mit einer erhöhten Exposition bei der Verwendung von Mobilfunktelefonen zu rechnen. Hinweise für eine Überschreitung von empfohlenen Expositionsgrenzwerten für Personen, die selbst nicht mobil telefonieren, wurden nicht gefunden.
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –