Realitätsverlust bei der ödp: Mobilfunkgegner verklemmt (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Dienstag, 25.12.2012, 13:00 (vor 4132 Tagen)

Als ob am 27. Oktober in München nichts Niederschmetterndes gewesen sei, heißt es nur einen Tag später auf der ödp-Website trotzig:

Eine Allianz über Verbände und Parteien hinweg halte Frankenberger auf Nachfrage für möglich und könnte irgenwann zu einem neuen Volksbegehren über die Strahlenbelastung führen. Bis dahin sei aber noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten. 2004 scheiterte das ÖDP-Volksbegehren "Für Gesundheitsvorsorge beim Mobilfunk" mit ca. 500.000 Unterschriften an der 10 % Hürde.

Das liest sich mMn so, als ob die ödp 2004 nur knapp an der 10-Prozent-Hürde gescheitert sei, gerade einmal ein halbes Milliönchen habe gefehlt.

Der Statistische Bericht (PDF, 18 Seiten) des Bayerischen Landesamtes für Statistik und Datenverarbeitung fegt diese rhetorische Verschleierung hart beiseite:

Art. 71 Abs. 2 des Landeswahlgesetzes fordert zur Rechtsgültigkeit des Volksbegehrens, dass das Verlangen nach Schaffung eines Gesetzes von mindestens einem Zehntel der Stimmberechtigten gestellt worden ist. Für das Volksbegehren waren 9 201 994 Personen eintragungsberechtigt. Zur Unterstützung des Volksbegehrens wurden 398 514 gültige Eintragungen ermittelt. Dies entspricht 4,3 % der Stimmberechtigten. Die zur Rechtsgültigkeit des Volksbegehrens erforderliche Anzahl von 920 199 Unterschriften wurde um 521 685 Eintragungen unterschritten.

Also, was sind das nur für verzerrte Töne aus der ödp-Zentrale!?

2004 war die Mobilfunkgegnerei auf ihrem Höhepunkt und das Volksbegehren scheiterte dennoch sehr deutlich. Seither sinkt der Stern der Mobilfunkgegner Jahr für Jahr, nicht nur gemäß Google-Trends, sondern auch augenscheinlich, wie die demütigend schlecht besuchte Großkundgebung des Anti-Mobilfunk-Vereins Diagnose-Funk im Oktober 2012 gezeigt hat. Sogar der "Mobilfunk-Experte" der ödp, der Zahnarzt Dr. Claus Scheingraber, zeigt sich nach dem Desaster von München ratlos, warum es den Mobilfunkgegnern nicht gelingt, die Massen zu erreichen: "Diese Demonstration am 27. Oktober in München hat endgültig gezeigt, dass andere Formen des Protestes notwendig sind, um in der Öffentlichkeit und bei den Politikern Gehör zu finden." Die ödp-Spitze scheint von diesem Frust ihres Experten jedoch keine Ahnung zu haben, sie dröhnt nur weiter auf dem Blech herum, das bereits Rostlöcher hat. Auch dass auf der Kundgebung der Stadtverband München der ödp mit Abwesenheit glänzte und nur der Stadtverband eines Vororts (Erdinger Weißbier) mit einer handvoll Leuten auflief, scheint keinerlei Irritation bei Parteichef Frankenberger hinsichtlich der "Geschlossenheit" ausgelöst zu haben (siehe auch weiter unten), mit der seine Partei hinter seinem Anti-Mobilfunk-Kurs steht. Von einer Erneuerung der ödp unter Frankenberger kann mit Blick auf Mobilfunk keine Rede sein, es geht munter weiter mit den alten Parolen, haltlosen Behauptungen und uneinlösbaren Versprechungen.

Wer Augen im Kopf hat sieht: Die Bürger zeigen den wenigen Anti-Mobilfunk-Surfern auf ihrer Angstwelle deutlich die rote Karte. Davon völlig unbeirrt träumt die ödp öffentlich abermals von einem Volksbegehren. Aus meiner Sicht ein krampfhafter Versuch, halbherzig Terrain gegenüber anderen Kleinstparteien gut zu machen. Zuletzt 2009 hatte das IZgMF anlässlich der Bundestagswahl die Satzungen und Grundsatzprogramme von 93 politischen Parteien nach "mobilfunkkritischen Tendenzen" geprüft. Die ödp erwies sich dabei als Partei, die mit Mobilfunkkritik nichts mehr im Sinn hat. Und auch in der aktuellen Ausgabe von Satzung/Grundsatzprogramm (2012) deuten nichts aber auch gar nichts auf irgendwelche mobilfunkkritischen Absichten der Partei hin.

Und trotzdem startet die Meldung auf der ödp-Seite mit der Behauptung:

Als einzige Partei steht die ÖDP seit vielen Jahren geschlossen hinter der Kritik an der Technologie des Mobilfunks und des Tetra-Digitalfunks für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben.

Jeder weiß, vor Wahlen versuchen politische Parteien mit Haken und Ösen Wählerstimmen zu angeln. Die einen machen dies so geschickt, dass der Wähler es nicht merkt, wenn er getäuscht wird, andere stellen sich dumm an und versuchen es auf die eher schlichte Tour des puren Behauptens. Mich ärgert diese Variante, weil sie gegenüber den Wählern eine Respektlosigkeit sondersgleichen verrät, die Leute werden aus Bequemlichkeit beim Stimmenangeln einfach mal schnell für dumm verkauft.

Und wenn es in der ödp-Meldung tapfer heißt, die Partei stünde "geschlossen hinter der Kritik an der Technologie des Mobilfunks ...", dann kann ich nur schmunzeln: Natürlich stimmt auch diese Behauptung nicht. Sie kann nicht stimmen, denn dazu müsste die Kritik in der Satzung der Partei verankert sein. Richtig ist, dass sich nur wenige ödpler mit den Faxen anfreunden können, mit denen sich eine handvoll Parteimitglieder öffentlich profilieren wollen, wir kennen welche, die ballen darüber die Faust, allerdings nur in der Hosentasche. Dort findet sich dann auch das Handy, das den ödp-Mitgliedern genauso lieb und teuer ist wie dem Rest der Bevölkerung. Aus erster Hand wissen wir, dass dieser Hosentascheninhalt bei der ödp überall anzutreffen ist, bis ganz hinauf zu denen, die sich besonders laut gegen Mobilfunk wenden. Man möchte ja schließlich - nur im Notfall natürlich - erreichbar sein.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

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