Identitätsstiftende Sündenböcke der Anti-Mobilfunk-Szene (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Sonntag, 29.07.2012, 17:55 (vor 4261 Tagen)

Wird in der Anti-Mobilfunk-Szene erst einmal eine Person oder eine Institution als Gegner identifiziert - diese Aufgabe fällt den Granden der Szene zu - beißen sich alsbald (einige) willige Gefolgsleute an der Wade des Opfers fest. Die Person oder Institution wird in die Rolle des Sündenbocks gedrängt, über die Wikipedia so einiges weiß, was Kenner der Anti-Mobilfunk-Szene auf Anhieb wiedererkennen werden:

Die soziale Rolle des Sündenbocks lässt sich auch einer ganzen Gruppe von Menschen per Attribution zuweisen. Sind Menschen frustriert oder unglücklich, richten sie ihre Aggression oft auf Gruppen, die unbeliebt, leicht identifizierbar und machtlos sind.

Dies kann auch mittels einer durch Machteliten verbreiteten Ideologie geschehen, die ein Feindbild bewusst entwickelt mit dem Ziel, bestimmte soziale, ethnische oder politische Minderheiten zum Sündenbock für aktuelle Krisenerscheinungen zu machen oder von der eigenen mangelnden oder schwindenden Legitimation abzulenken (siehe zum Beispiel Holocaust). Eine solche Projektion auf einen Sündenbock kann für die Bevölkerungsmehrheit identitätsstiftende Funktion bekommen.

Der Soziologe Lewis A. Coser hat 1964 in Sociological Theory den Begriff „Sündenbock“ in Bezug auf die Verschiebung von nicht direkt ausfechtbaren sozialen Konflikten (realistic conflicts) auf abstraktere, aber ausfechtbare Konfliktebenen (unrealistic conflicts) verwendet.

Der Religionsphilosoph René Girard machte in seiner Anthropologie aus dem von ihm so benannten „Sündenbockmechanismus“ (engl. Scapegoating) eine grundlegende Hypothese über die Entstehung der menschlichen Kultur: Gebraucht wird der Sündenbock, wenn die Gemeinschaft innerlich zerrissen ist oder sich von einer Katastrophe bedroht fühlt. Indem eine falsche kausale Verbindung zwischen Bedrohung und dem ausgewählten Sündenbock hergestellt wird, kann das Übel veräußert und die Gemeinschaft wieder geeinigt und stabilisiert werden.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Feindbild, Aggression, Hypothese, Sündenbock

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