Volksbegehren: Hartenstein und die Erfolgschancen (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Sonntag, 03.07.2005, 20:01 (vor 6865 Tagen)

In der Ausgabe "050704 - EMFLvh-1942 - ÖDP-Volksbegehren - Kritik Volker Hartenstein" seines Newsletters spricht Volker Hartenstein dem Gesetzesentwurf der ödp für mehr Gesundheitsvorsorge beim Mobilfunk die Erfolgsaussichten rundweg ab. Da der ehemalige bayer. Landtagsabgeordnete Hartenstein ein engagierter Mobilfunkkritiker mit weit über die Grenzen Bayerns hinausreichendem Einfluss ist, hat seine Kritik Gewicht.

Unglücklicher Zeitpunkt
Der Zeitpunkt der Kritik unmittelbar vor Beginn des Volksbegehrens ist sicherlich nicht besonders glücklich gewählt. Denn wer sich in den letzten Wochen auf Seiten der Unterstützer für das Volksbegehren engagiert hat, dürfte wenig Verständnis dafür haben, dass die geleistete Arbeit nun aus den eigenen Reihen in Frage gestellt wird.

Auch nur Gleicher unter Gleichen
Andererseits ist auch Volker Hartenstein nur ein einzelner Kritiker, dem es freigestellt ist, ob er das Volksbegehren unterstützt oder nicht. Er hat sich gegen die Unterstützung entschieden, weil er keine Erfolgschancen sieht. Dies ist a) schade und b) ehrlich. Andere aber sind optimistisch. Und dies ist a) nicht schade und b) genauso ehrlich.

Zweifel keineswegs neu
Die Zweifel an der Wirksamkeit des Gesetzesentwurfes sind keineswegs neu, so dass sich eine abermalige inhaltliche Auseinandersetzung - über die Inhalte äterer Threads (hier im Forum) hinaus - erübrigt. Neu ist nur, dass sie nun erstmals von einem prominenten Mobilfunkkritiker öffentlich geteilt werden. Hartenstein setzt sich damit über eine stillschweigend getroffene Übereinkunft hinweg, der zufolge kompromißlose Mobilfunkgegner das Volksbegehren - weil nicht weitreichend genug - zwar ablehnen, dieser Standpunkt aber nicht offensiv in die Öffentlichkeit getragen wird.

Volker Hartenstein dürfte sich mit seinem Vorstoß zwischen etliche Stühle gesetzt haben und er wird sich einiges anhören müssen. Das aber hat er erwartet wenn er schreibt: "Mir ist bewußt, dass ich mit nachfolgendem Beitrag in ein Wespennest stoße".

Tapferkeitsmedaille
Vom izgmf bekommt Hartenstein daher die Tapferkeitsmedaille zuerkannt, jegliche Qualifikation fürs Diplomatische Korps jedoch aberkannt ;-)

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

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, ödp, Hartenstein, Volksbegehren

Volksbegehren: Hartenstein und die Erfolgschancen

Aktivist, Sonntag, 03.07.2005, 20:20 (vor 6865 Tagen) @ H. Lamarr

Damit auch jeder weiß, wovon hier überhaupt die Rede ist, nachfolgend der komplette Newsletter mit allem drum & dran ...

NEWSLETTER

Anm.: Mir ist bewußt, dass ich mit nachfolgendem Beitrag in ein Wespennest stoße. Ich halte ihn dennoch vor Anlauf der Unterschriftenaktion für wichtig. Nichts hat mich in 18 Jahren aktiver Politik (Landtag, Kreistag, Stadtrat) mehr geärgert, als Unehrlichkeit. Mit dem Volksbegehren geht die ÖDP - deren Engagement im Umwelt- und Sozialbereich ich ansonsten schätze - einen Weg, der m.E. nicht unwidersprochen bleiben darf.

MfG
Volker Hartenstein
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"Für Gesundheitsvorsorge beim Mobilfunk"
ÖDP-Volksbegehren (Bayern)

Gesetzestext des Volksbegehrens (ÖDP):

"Art. 63 Abs. 1 der Bayerischen Bauordnung (BayBO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. August 1997 (GVBl. S. 433, ber. 1998 S. 270, BayRS 2132-1-I), zuletzt geändert durch § 1 Nr. 58 des Gesetzes vom 7. August 2003 (GVBl. S. 497), wird wie folgt geändert:

Nach Satz 2 wird folgender Satz 3 angefügt:
"Entgegen Satz 1 sind Mobilfunkanlagen oder hiermit in Zusammenhang stehende bauliche Anlagen nicht von der Genehmigung befreit."

...

Begründung und Erläuterung:

"Vielmehr erhält die Gemeinde, in deren Gebiet die Mobilfunkanlage errichtet werden soll, ein gesetzlich garantiertes aktives Mitwirkungsrecht beim beantragten Sendeanlagenbau. Die Gemeinde kann darauf einwirken, dass Sendeanlagen nicht an kritischen Stellen (z.B. in unmittelbarer Nähe zu Kindergärten, Wohngebieten usw.) errichtet werden."


Kritik von Volker Hartenstein:

Mit ihrer Formulierung (in der Begründung, s. oben) erweckt die ÖDP (wider besseres Wissen?) den Eindruck, als ob die Kommunen nach einem positiv verlaufenen Volksentscheid unliebsame Mobilfunkstandorte über das Baugenehmigungsverfahren verhindern könnten. Genau das ist jedoch nicht der Fall:

Oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern
16.07.2001, IIB4-4104-038/00

"Der Bayer. Landtag hat mit Beschluss vom 06.04.2001 (LT-Drs. 14/6399) mit großer Mehrheit die Einführung einer Genehmigungspflicht für Mobilfunkanlagen abgelehnt. Maßgeblich für diese Entscheidung war vor allem, dass im Baugenehmigungsverfahren keine Prüfung von Standortalternativen oder technischen Varianten erfolgen kann und damit keine Steuerungsmöglichkeiten für Gemeinden bestehen. Vielmehr ist im Baugenehmigungsverfahren über das konkrete Vorhaben am konkreten Standort anhand der jeweils maßgeblichen öffentlichrechtlichen Vorschriften zu entscheiden.”

Es ferner falsch anzunehmen, dass zurzeit grundsätzlich keine baurechtlichen Anforderungen an genehmigungsfreie Mobilfunksendeanlagen bestehen: Art. 63 Abs. 6 BayBO macht deutlich, daß auch ohne Baugenehmigungsverfahren sämtliche auf die Anlage anwendbaren materiellen Vorschriften vollständig einzuhalten sind. (Art. 63 Abs.(6): "1Die Genehmigungsfreiheit nach Absatz 1 bis 5, Art. 64, 65 und 85 Abs. 3 entbindet nicht von der Verpflichtung zur Einhaltung der Anforderungen, die durch öffentlich-rechtliche Vorschriften an die baulichen Anlagen gestellt werden. 2Die bauaufsichtlichen Eingriffsbefugnisse und die Verpflichtung, andere öffentlich-rechtliche Gestattungen für die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung einer baulichen Anlage einzuholen, werden durch die Genehmigungsfreiheit nicht berührt.")


Gesetzestext (ÖDP):

In der Verordnung über das Landesentwicklungsprogramm Bayern (LEP) vom 12. März 2003 (GVBl. S. 173, BayRS 230-1-5-U) wird das in der Anlage zu § 1 enthaltene Landesentwicklungsprogramm Bayern wie folgt geändert:

In Teil B V 2.1.1 werden die Sätze 3 und 4 wie folgt neu gefasst:
"Der Ausbau der Mobilfunknetze soll umwelt- und sozialverträglich erfolgen, wobei die Belange der Gesundheitsvorsorge besonders zu berücksichtigen sind.
Es soll auch auf einen sparsamen Flächenverbrauch und die nachhaltige Schonung des Orts-und Landschaftsbildes geachtet werden."

In Teil B V 2.1.2 wird folgender Satz 2 ergänzt:
"Dabei sollen mögliche technische und organisatorische Maßnahmen zur Minimierung der Strahlenbelastung genutzt werden."

...

Begründung und Erläuterung:
"Das Landesplanungsrecht soll geändert werden, um der Gesundheitsvorsorge und dem Landschaftsschutz eine hohe Bedeutung beizumessen. Außerdem soll nach Möglichkeit verhindert werden, dass durch den Wettbewerb zwischen den Netzbetreibern unnötig viele Mobilfunksendeanlagen errichtet werden."


Im Landesentwicklungsprogramm Bayern (LEP) vom 12. März 2003 heißt es jedoch bereits:

"2.1.1 Die Versorgung mit Telekommunikationsdiensten soll flächendeckend sichergestellt werden. Auf die zügige Einführung neuer Kommunikationstechnologien - auch im ländlichen Raum - soll hingewirkt werden.
Der Ausbau der Mobilfunknetze soll umwelt- und sozialverträglich erfolgen. Es soll auch auf einen sparsamen Flächenverbrauch und die Schonung der Landschaft geachtet werden.

2.1.2 Im Telekommunikationsbereich soll ein chancengleicher und funktionsfähiger Wettbewerb - auch im ländlichen Raum - sichergestellt werden.”

Begründung:
…Da ein weiterer Ausbau der Mobilfunknetze mit dem Ziel einer flächendeckenden Versorgung vorgesehen ist, ist ein sparsamer Flächenverbrauch und eine landschaftsschonende Errichtung der Infrastruktur erforderlich.
Hierzu dient auch die im Rahmen des Umweltpaktes geschlossene freiwillige Vereinbarung der in Bayern tätigen Mobilfunkbetreiber, in der sie sich verpflichten, ihre Planungen für neue Maststandorte abzustimmen mit dem Ziel, bestehende und künftige Standorte möglichst betreiberübergreifend und unter Beteiligung der Kommunen zu errichten. Im Hinblick auf die von Teilen der Bevölkerung vorgebrachten Befürchtungen über gesundheitliche Auswirkungen der Mobilfunkstrahlung ist auf einen umwelt- und sozialverträglichen Ausbau der Mobilfunknetze zu achten. Der Schutz der Bevölkerung vor nichtionisierenden Strahlen ist im Rahmen der in der 26. BimSchV (Verordnung über elektromagnetische Felder) festgelegten Grenzwerte zu gewährleisten.

Volker Hartenstein:

Die ÖDP

wendet sich also nicht gegen die flächendeckende Versorgung und die zügige Einführung der Kommunikationstechnologien - auch im ländlichen Raum, sondern
wiederholt im wesentlichen lediglich bereits bestehende Forderungen des Landesentwicklungsplans.

Hinsichtlich der Verbesserung der Gesundheitsvorsorge ist primär der Bund über das Immissionsschutzrecht gefordert. Die Bayerische Bauordnung kann in diesem Zusammenhang wohl kaum als taugliches Instrument angesehen werden.

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Volker Hartenstein
Roßhirtstr. 11, 97199 Ochsenfurt
Tel.: (09331) 2825
Web-Fax: 01212/5 132 53 270
E-Mail: vohar@skydsl.de
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BR sucht Aktivisten

Karl, Montag, 04.07.2005, 08:38 (vor 6864 Tagen) @ Aktivist

Ach, wer ist denn Hartenstein!

Wir suchen aktive Menschen, Bürger gegen Staat und Industrie.

Das Nürnberger Studio des Bayerischen Rundfunks sucht aktive BI, Bürgermeister etc. in Mittelfranken zum Thema umstrittener Mobilfunkstandort.
Sie leben in einer Gemeinde/Stadt in Mittelfranken, Sie haben einen kritischen Standort, Sie machen mobil für oder gegen diesen Standort dann nichts wie ran ans Telefon, Herrn Schindhelm vom BR kontaktieren.

Ist Ihre Geschichte interessant, kommen wir vorbei. :yes:

Tel.: 0911/6550206
Handy:0170/2931962
E-Mail: carlo.schindhelm@web.de

Tags:
, Bayrischer Rundfunk

Stellungnahme von Prof. K. Buchner

Franz, Sonntag, 10.07.2005, 22:21 (vor 6858 Tagen) @ Aktivist

Sehr geehrter Herr Hartenstein,

in Ihrem Beitrag werfen Sie der ödp "Unehrlichkeit" vor. Im Klartext: Sie behaupten, ich sei als einer der Initiatoren des Volksbegehrens "unehrlich". Mir ist nicht klar, womit Sie diesen persönlichen Angriff rechtfertigen. Da es Ihnen offenbar eher auf Stimmungsmache als auf eine sachliche Auseinandersetzung ankommt, verbietet sich eigentlich eine Antwort. Trotzdem will ich einige Punkte herausgreifen:

Sie behaupten, durch das Volksbegehren könnten unliebsame Mobilfunkstandorte nicht verhindert werden. Dabei schreiben Sie sogar, dass die ödp hier "wider besseres Wissen?" die Öffentlichkeit täusche. Als Begründung führen Sie eine Stellungnahme der Obersten Baubehörde im Bayerischen Innenministerium an. Diese bezieht sich jedoch auf die jetzige Gesetzeslage. Sie hätten Recht, wenn der zweite Teil des Volksbegehrens fehlen würde, der sich auf das Landesentwicklungsprogramm bezieht. Dadurch, dass im Volksbegehren die Gesundheitsvorsorge explizit gefordert wird, muss in Zukunft jede Bauleitplanung und jeder Flächennutzungsplan die Belange der Gesundheitsvorsorge berücksichtigen. Das ist - entgegen Ihrer Meinung - derzeit oft schwierig, weil im Landesentwicklungsplan nur von "Sozialverträglichkeit" die Rede ist. Was das praktisch bedeutet, schreiben Sie selbst: Solange die Grenzwerte eingehalten werden, muss eine Anlage als sozialverträglich angesehen werden. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung dienen die heutigen Mobilfunk-Grenzwerte jedoch nicht der Gesundheitsvorsorge. Deshalb bringt hier das Volksbegehren einen sehr großen Fortschritt. Ihre Behauptung, das Volksbegehren "wiederholt im wesentlichen lediglich bereits bestehende Forderungen des Landesentwicklungsplans" ist also grundlegend falsch.

Am meisten wundert mich ihre Aussage, dass für die Gesundheitsvorsorge primär der Bund zuständig sei. Sagen Sie allen Ernstes, wir sollten die Finger vom Gesundheitsschutz lassen, weil er bei Ihrem Parteifreund Trittin in guten Händen sei?? Durch vernünftige Bauleitplanungen bzw. Ortsgestaltungssatzungen können wir trotz der jetzigen Bundesregierung manches erreichen. Wie die Beispiele Gräfelfing und Dachau zeigen, lässt sich so die tatsächliche Strahlenbelastung auf ein 10 000 stel des Grenzwerts (und weniger) senken. Derzeit sind solche Bauleitplanungen schwer durchsetzbar. Mit einem erfolgreichen Volksbegehren ändert sich dies grundlegend.

Prof. K. Buchner
Straßbergerstr. 16
80809 München

Tags:
ödp, Buchner, Landesentwicklungsplan

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