EMF-Leitlinie der ÖÄK: Keine Nummer unter diesem Anschluss (Allgemein)
Vor mehr als zehn Jahren hat die Österreichische Ärztekammer (ÖÄK), Wien, ihre "EMF-Leitlinie" von der eigenen Website genommen. Dennoch feiert dieses Papier, das der Abklärung und Therapie EMF-bezogener Beschwerden und Krankheiten dienen sollte, bis heute fröhliche Urstände unter organisierten Mobilfunkgegnern. Wie steht die ÖÄK dazu?
Im April 2012 tauchte die fragwürdige EMF-Leitlinie auf der Website der ÖÄK auf, im Oktober war sie dort schon wieder kommentarlos verschwunden. Dies wäre nun ohne Belang, geistere diese EMF-Leitlinie nicht bis heute auf Websites der Anti-Mobilfunk-Szene herum. Das wirft Fragen an die ÖÄK auf, z.B. warum sie das Original schon nach wenigen Monaten vom Netz genommen hat und ob sie gedenkt, gegen die kursierenden Raubkopien etwas zu unternehmen.
Ergo habe ich Mitte April 2024 eine Anfrage an die ÖÄK geschickt. Diese blieb unbeantwortet, ebenso die Nachfrage von Mitte Mai. Offensichtlich hat die Kammer kein Interesse, mir in der Angelegenheit Auskunft zu geben und die unautorisierte Weiterverbreitung der Leitlinie zu unterbinden.
Eigenen Angaben zufolge vertritt die ÖÄK gemäß Ärztegesetz die gemeinsamen beruflichen, sozialen und wirtschaftlichen Interessen aller in Österreich tätigen Ärztinnen und Ärzte. Sie sorgt für die Wahrung des Ansehens, der Rechte und die Einhaltung der Pflichten der Ärzteschaft. Mag sein, doch Papier ist geduldig. Den Text meiner Anfrage stelle ich unten ein, möge jeder selbst beurteilen, inwieweit das Schweigen der ÖÄK ihrem Ansehen zuträglich ist ...
Sehr geehrte Damen und Herren,
im März 2012 haben die Referenten für Umweltmedizin der Landesärztekammern und der Österreichischen Ärztekammer die im Betreff genannte Leitlinie verabschiedet. Noch heute ist diese Leitlinie in interessierten Kreisen weit verbreitet und wird dort auch zum Download angeboten (Beispiel). Auf der Website der ÖÄK suchte ich die Leitlinie hingegen soeben vergeblich.
Der Leitlinie zufolge (Seite 14) wurde sie ursprünglich von der ÖÄK unter dem Link www.aerztekammer.at/referate vom Referat Umweltmedizin angeboten.
Im aktuellen Impressum der ÖÄK heißt es:
Sämtliche auf der Website verwendeten Inhalte, Bilder und Grafiken sind durch das Urheberrecht geschützt. Die Weiterverwendung, ohne ausdrückliche Genehmigung durch die ÖÄK, ist untersagt. [...]
Für mich stellt sich der Sachverhalt wie folgt dar: Interessierte Kreise haben sich mit oder ohne Genehmigung der ÖÄK die Leitlinie von der Website der ÖÄK besorgt und bieten das Papier seither auf ihren Websites zum Download an. Doch es muss einen Grund geben, warum die ÖÄK selbst die Leitlinie ersatzlos von ihrer Website genommen hat, z.B. weil sie veraltet war oder aus Sicht der ÖÄK hinfällig geworden ist. Sollte dieser Sachverhalt zutreffen, kann es nicht im Interesse der ÖÄK sein, dass legale Kopien oder Raubkopien der Leitlinie im Namen der ÖÄK weiterhin in Umlauf sind. Denn noch 2023 beruft sich ein Verein auf das Papier und schreibt:
[...] In Österreich hat die Österreichische Ärztekammer 2012 ihre «Leitlinie zur Abklärung und Therapei [sik!] EMF-bezogener Beschwerden und Krankheiten (EMF-Syndrom)» veröffentlicht. Vor dem Hintergrund, dass bei stressassoziierten Beschwerden eine starke Zunahme beobachtet wurde, hielt die ÖÄK fest: «Grundsätzlich sollte man bei unspezifischen Beschwerden, bei denen keine klar erkennbare Ursache gefunden wurde, EMF-Expositionen ernsthaft in Betracht ziehen, insbesondere dann, wenn vom Patienten ein entsprechender Verdacht geäussert wird».
Für meine Berichterstattung über den geschilderten Sachverhalt bitte ich um Antworten auf folgende Fragen:
► Wann in etwa hat die ÖÄK die Leitlinie vom Netz genommen?
► Warum hat die ÖÄK die Leitlinie vom Netz genommen?
► Wie viele Genehmigungen für die legale Weiterverwendung der Leitlinie liegen der ÖÄK vor?
► Beabsichtigt die ÖÄK Schritte einzuleiten, um die ggf. unautorisierte Weiterverbreitung der Leitlinie zu unterbinden?
Mit freundlichen Grüßen
Stephan Schall
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –