EU-Projekt "Ariadne": Mobilfunk bei 130 GHz bis 175 GHz (Technik)

H. Lamarr @, München, Freitag, 29.05.2020, 22:46 (vor 1425 Tagen)

Künstliche Intelligenz für einen optimierten Mobilfunk

Während viele europäische Staaten gerade dabei sind, den Mobilfunk der 5. Generation aufzubauen, arbeitet die Forschung bereits an seiner Optimierung. Denn obwohl 5G seinen Vorgängern weit überlegen ist, hat auch der neueste Mobilfunkstandard noch Verbesserungspotenzial: Besonders in urbanen Gebieten, in denen ein Sichtkontakt zwischen Sender und Empfänger erschwert ist, funktioniert die Funkverbindung häufig noch nicht zuverlässig. In dem am 1. November 2019 gestarteten EU-Projekt »Ariadne« erforschen nun elf europäische Partner drei Jahre lang, wie sich durch die Nutzung von hohen Frequenzbändern und künstlicher Intelligenz eine fortschrittliche Systemarchitektur für »Beyond 5G« entwickeln lässt. Die EU stellt dafür 5,96 Mio. Euro an Födermitteln bereit.

Ein großer Vorteil von 5G sind die hohen Frequenzen und die damit verbundenen hohen Übertragungsraten, die für eine nahezu latenzfreie Verbindung und einen schnellen Datenaustausch sorgen. Mit den hohen Frequenzen geht allerdings ein gerichtetes System einher, das meistens eine Sichtverbindung (Line-of-Sight, kurz LOS) erfordert. Das bedeutet, dass Sender und Empfänger sich sehen müssen. Doch das Prinzip der LOS-Verbindung kann gerade in städtischen und sehr dicht bebauten Gebieten zu Verbindungsstörungen führen.

Eines der Probleme, das zu diesen Verbindungsstörungen in lokalen 5G-Netzwerken führt, ist der Auslöschungseffekt. Dieser Effekt tritt auf, wenn ein Signal über eine Sichtverbindung übertragen und gleichzeitig über Reflexionen kopiert wird. Die Kopie überlagert das Signal aus der Sichtverbindung und löscht es aus. Die Folge: Das Signal kommt nicht beim Empfänger an. Diese Mehrwegeausbreitung über eine Nicht-Sichtverbindung (Non-Line-of-Sight, kurz NLOS) bleibt bei 5G, wie auch schon bei seinem Vorgänger 4G, ein Problem. Aus diesem Grund ist die Entwicklung neuer Konzepte, die diese LOS- und NLOS-Szenarien besser beherrschen und die Zuverlässigkeit von Mobilfunkverbindungen massiv erhöhen, eines der Hauptziele von Ariadne.

Höhere Effizienz und Zuverlässigkeit von 5G

Das EU-Projekt mit dem vollständigen Titel »Artificial Intelligence Aided D-band Network for 5G Long Term Evolution« vereint Partner aus Forschung und Industrie aus fünf Ländern. Ziel ist die Entwicklung einer energieeffizienten und zuverlässigen Mobilfunkkommunikation auf Basis von Frequenzen im D-Band (130-174,8 GHz). Da das D-Band eine aggregierte Bandbreite von mehr als 30 GHz aufweist, eignet es sich hervorragend für den schnellen Datenverkehr. Allerdings ist dieses neu genutzte Band in mehrere Teilbänder unterteilt und somit nicht zusammenhängend, was eine Anpassung der bislang eingesetzten Funk-Systemarchitektur und der entsprechenden Netzsteuerung erforderlich macht.

In Ariadne soll durch die Kombination von einer neuartigen Hochfrequenz-Funkarchitektur sowie einem neuen Netzverarbeitungskonzept, das auf künstlicher Intelligenz basiert, ein intelligentes Kommunikationssystem »Beyond 5G«, also als Weiterentwicklung von 5G, geschaffen werden. Bis 2022 möchte das Projektkonsortium eine Funkverbindung mit extrem hohen Datenraten im 100-Gbit/s-Bereich bei nahezu Null Latenz realisieren und demonstrieren. Die Europäische Union fördert das Projekt im Rahmen des Programms Horizon 2020.

Ariadne basiert auf drei großen Forschungsbereichen: der Entwicklung von Hardware-Komponenten, der Erforschung von Metaoberflächen sowie der Anpassung der Netzsteuerung auf Basis von künstlicher Intelligenz bzw. maschinellem Lernen.

Bauelemente für eine verlässliche D-Band-Verbindung

Bei der Entwicklung von Hardware-Komponenten bringt das Fraunhofer IAF seine Kompetenzen aus dem Bereich der Hochfrequenzelektronik ein: Gemeinsam mit den Partnern entwickeln die Freiburger Forschenden neue Funktechnologien für die Kommunikation im D-Band (130-174,8 GHz). »Unser Schwerpunkt liegt dabei auf der Entwicklung von neuen Funkmodulen mit höchster spektraler Effizienz, die die Frequenz-Diversität ausnutzen und eine Steuerschnittstelle für die Optimierung im Netz bieten. Dabei soll erstmals unsere neue 20-nm-InGaAs-HEMT-Technologie auf Silizium eingesetzt werden«, erklärt Dr. Thomas Merkle, Forscher und Projektkoordinator auf Seiten des Fraunhofer IAF.

Reflektierende Oberflächen

Um Netzstörungen bei NLOS-Verbindungen zu vermeiden, werden in Ariadne Metaoberflächen (metasurfaces) und ihr Beitrag zu einer Optimierung der Funkverbindung erforscht. Metaoberflächen sind verstellbare Reflektoren für Funkwellen und sollen Netzsteuerungsproblemen in urbanen Gebieten entgegenwirken. Wenn zwischen Basisstationen auf den Hausdächern und den Nutzern in den Häuserschluchten keine Sichtverbindung herrscht, sollen Metaoberflächen Funkwellen reflektieren und damit die Ausbreitung außerhalb der Sichtverbindung gewährleisten. Die Steuerung der Metaoberflächen soll über einen zentralen Netzcontroller erfolgen.

»Das Konzept der Metaoberflächen wird für 5G bereits teilweise umgesetzt, allerdings bislang nur für niedrige Frequenzen. Je höher die Frequenz der Funkverbindung, desto feiner müssen die Mikrostrukturen an der Oberfläche sein und für Frequenzen im D-Band sind die Strukturen sehr aufwendig in der Herstellung«, erläutert Thomas Merkle. Aus diesem Grund forscht das Projektteam an einer Entwicklung von Metaoberflächen, die sich sowohl für die hohen Frequenzen als auch für die industrielle Produktion eignen. Am Fraunhofer IAF beschäftigen sich die Forschenden mit den sogenannten Reflect Arrays. Dabei handelt es sich um kleine Metaoberflächen an Antennen, die der Strahlschwenkung und -bündelung dienen.

KI-basierte Netzsteuerung

Um eine konstante und bei jeder Wetterlage zuverlässige Funkverbindung bereitzustellen, sollen Methoden des maschinellen Lernens und der künstlichen Intelligenz (KI) für das Netzmanagement eingesetzt werden. Bislang werden größtenteils klassische mathematische Verfahren für die Mobilfunksteuerung genutzt. In Ariadne sollen nun KI-basierte Algorithmen zur Lösung von Problemen der Funkkommunikation zum Einsatz kommen. Während beim maschinellen Lernen eine fundierte Datenanalyse das Ziel ist, soll mithilfe von KI ein System zur Netzsteuerung entwickelt werden, das Probleme nicht nur erkennt und darauf reagiert, sondern diese sogar vorhersehen und abwenden kann.

Das finale Ziel der Projektpartner ist es, die einzelnen Projektbausteine in einem Testsystem zusammenzubringen und die Funktionalität zu demonstrieren. Am Ende des Projektes wollen sie zwei Demonstratoren als Ergebnis ihrer Forschungsarbeiten präsentieren: Der erste Demonstrator soll eine bei allen Wetterbedingungen zuverlässige Verbindung über 100 Meter mit einer Datenrate von 100 Gbit/s erreichen. Der zweite Demonstrator soll als Proof-of-Concept im Labor zeigen, wie eine Metaoberfläche die Ausbreitungsbedingungen für eine Funkübertragung in der Umgebung verbessern kann. So soll die Funktionsweise von Metaoberflächen bei hohen Frequenzen im Labor bewiesen werden. Die Software-Entwicklung soll zu dem Zeitpunkt aufzeigen, dass das auf KI basierte Netzsteuerungssystem die Zuverlässigkeit über das gesamte D-Band-Netz erhöhen und die Steuerung von Metaoberflächen gewährleisten kann.

Quelle: Pressemitteilung des Fraunhofer IAF vom 25. Mai 2020

Hintergrund
Ariadne-Projektvorstellung und Projektpartner auf Cordis (EU)
Website des Ariadne-Forschungsprojekts

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Cordis, Künstliche Intelligenz, 5G-Netzwerk, Ariandne, Merkle


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