Deutsche warten nicht auf Godot, sondern auf Bits und Bytes (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Dienstag, 19.09.2017, 12:41 (vor 2382 Tagen)

Abseits der Websites hausbackener W-Lan-Gegner und Elektrosmog-Phobiker zeigt sich die große weite Welt in Deutschland von einer ganz anderen Seite, wie der aktuellen Spiegel-Titelstory Da können Sie lange warten (mit vielsagendem Aufmacherbild) zu entnehmen ist (Auszug):

Der Gast aus Kalifornien ist nur beinahe begeistert vom "Ahlbecker Hof" auf Usedom. "Das Personal ist exzellent, Sauna und Spa sind sehr gut, das Frühstück ist herausragend", schreibt er auf dem Bewertungsportal tripadvisor. Allerdings habe das Fünf-Sterne-Hotel auf der Insel eine unverzeihliche Schwäche, "das armselige WLAN, das wirklich unakzeptabel für ein Hotel dieser Qualität ist".

Jenes armselige WLAN hat Rolf Seelige-Steinhoff wohl schon manchen Kunden gekostet. Die Gäste seines "Ahlbecker Hofs" mit fast 100 Zimmern schwärmen von den luxuriösen Suiten, vom Hausdiener, dem Wellness-Spa mit Vitaltrainer, der Lage vorm Ostseestrand, direkt neben der Heringsdorfer Seebrücke. Aber ihre Kommentare zum Internetempfang? Von "eher unbefriedigend" über "sehr schlecht" bis "unbrauchbar".

Gutes Internet? Glückssache

Der Hotelier gibt seiner Kundschaft recht. "Wenn drei Gäste gleichzeitig Videos herunterladen, ist die Leitung zu. Dann kann man nicht mal größere Mailanhänge öffnen", sagt Seelige-Steinhoff. Er kann sich nur entschuldigen, wieder und wieder: "Wir können nichts dagegen tun." Allerhöchstens 50 Megabit (MBit) pro Sekunde überträgt die Leitung zum "Ahlbecker Hof"; eine bessere Verbindung stellt die Telekom nicht bereit. Und bei den anderen Häusern des Hoteliers auf Usedom sieht es kaum besser aus. Eine Ferienwohnung etwa hatte bis vor kurzem gar nur einen 1,2 MBit-Zugang. "Das ist geschäftsschädigend", empört sich Seelige-Steinhoff. "Es ist ungerecht: Ländliche Gebiete werden benachteiligt."

Man braucht Glück in Deutschland, um ordentliches Internet zu haben. Während Bewohner vieler Ballungsgebiete über Breitband-DSL-Anschlüsse mit passablen Übertragungsraten oft ruckelfrei ins Netz kommen, ist der ländliche Raum stellenweise digitale Provinz. Knapp ein Viertel der deutschen Haushalte kriegt nicht einmal die 50 MBit pro Sekunde, die der "Ahlbecker Hof" bekommt. In Regionen wie dem östlichen Bayern, Thüringens Südwesten oder Sachsens Südosten sind es weniger als die Hälfte.

Beim Ausbau der weitaus schnelleren Glasfaserleitungen mit Übertragungsgeschwindigkeiten bis in den Gigabit-Bereich ist Deutschland sowieso vielen anderen Industriestaaten weit hinterher. Das lähmt vor allem moderne Unternehmen, die vernetzt produzieren und große Datenmengen hin- und herschicken müssen. Kritiker sagen: Die digitale Unterversorgung, gerade auf dem Land, wird immer mehr zum Standortnachteil für Deutschland. [...]

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

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Digital


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