Warum Kommunen keine Sendemasten vermieten dürfen (Allgemein)

Gast, Samstag, 27.05.2017, 12:51 (vor 2498 Tagen)

Auf eine Anfrage des Abgeordneten Markus Ganserer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) vom 17.08.2016 antwortete am 18.10.2016 das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie. Fragen und Antworten geben zum Teil interessante Einblicke in Nischen der Mobilfunkdebatte, in die sonst kaum Licht fällt.

1. a) Wie soll das „Sofortprogramm Mobilfunk" in Höhe von fünf Mio. Euro ausgestaltet sein?
Mit den im Entwurf des Doppelhaushalts 2017/2018 veranschlagten 5 Mio. € sollen folgende Sofortmaßnahmen durchgeführt werden:
1) Bayern wird die Netzbetreiber unterstützen, mithilfe von BOS-Masten die Versorgung zu verbessern. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die meisten BOS-Masten von der Statik her nicht für weitere Antennen ausgelegt sind und daher „ertüchtigt" werden müssten. Nach vorläufiger Schätzung des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr könnten bis zu 10 % der Standorte in öffentlicher Hand für eine Ertüchtigung infrage kommen (ca. 50 Masten).
2) Standorte, an denen die Netzbetreiber ausbauen wollen, wo aber aus unterschiedlichen Gründen Verzögerungen auftreten, sollen nach Möglichkeit durch Unterstützung einer bürgerfreundlichen Umplanung realisiert werden.
Es ist geplant, die Förderung - wie bei der Bayerischen Breitbandrichtlinie
- über Zuschüsse an Gebietskörperschaften (Gemeinden und Gemeindeverbände) abzuwickeln.
b) Aus welchem Haushaltstitel wird das Programm gespeist?
Aus Kapitel 07 04 Titel 883 73.

2. a) Werden durch das Förderprogramm die Mobilfunkanbieter direkt begünstigt?
Die konkreten Programmrichtlinien werden derzeit erarbeitet und mit den betroffenen Ressorts abgestimmt.
b) Sind Möglichkeiten vorgesehen, dass auch andere Anbieter oder auch Kommunen, die Funkanlagen bauen bzw. nachrüsten und dann an die Mobilfunkanbieter vermieten, von dem Förderprogramm profitieren?
Dies wird derzeit geprüft. Beim Ausbau von stationärem Breitband gib es solche Betreibermodelle, d.h. eine Kommune errichtet Infrastruktur (z. B. unbeschaltete Glasfaser) und lässt sie dann von einem Betreiber nutzen. Beim Mobilfunk unterliegen Betreibermodelle anderen Voraussetzungen:
- Kommunale Gesellschaften können - im Gegensatz zur kabelgebundenen Breitbanderschließung - nicht Betreiber eines Mobilfunknetzes sein, da sie nicht über die entsprechenden Funkfrequenzen verfügen. Es gibt in Deutschland nur 3 Mobilfunknetzbetreiber, nicht jeder Standort für einen Mobilfunkmasten passt in deren Netzarchitektur (z. B. wegen Interferenzen).
- Darüber hinaus fallen Mobilfunkmasten als Hochfrequenzanlagen in den Anwendungsbereich des § 22 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG). Sie sind u. a. so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind. Diese Pflichten adressieren unmittelbar den Betreiber von Mobilfunkanlagen.

3. a) Wie viele Funkanlagen bzw. Sendemasten fehlen nach Einschätzung der Staatsregierung derzeit, um eine flächendeckende Versorgung sicherzustellen (Angaben bitte unterteilt in Sendemasten entlang von Eisenbahnlinien und Sendemasten bayernweit insgesamt)?
Die Anzahl der für eine flächendeckende Mobilfunkversorgung notwendigen Funkanlagen hängt von vielen Kriterien ab (Technologie, Versorgungsgrad, Feldstärke, Bandbreite etc.). Genaue Bedarfszahlen liegen der Staatsregierung nicht vor, da die Auflagen der Bundesnetzagentur sich bisher nie an Fläche, sondern an versorgten Haushalten orientiert haben.
Sendemasten entlang von Eisenbahnlinien (ICE-Strecken) müssen die Netzbetreiber bis zum 01.01.2020 ausbauen, ebenso entlang der Bundesautobahnen. Diese Planungen sind noch Betriebsgeheimnis, soweit sie bereits bestehen. Die Versorgung in Zügen wird derzeit oft durch Repeater gesichert, um die starke Abschirmung der Waggons zu kompensieren.
b) Wie viele Funkanlagen können mit fünf Mio. Euro nachgerüstet bzw. neu gebaut werden?
Das hängt vom jeweiligen Erschließungs- und Bauaufwand ab. Zweck der Mitnutzung der BOS-Infrastruktur ist die kostengünstige Lösung für eine maximale Zahl an Standorten.
c) Reicht die Fördersumme aus, um eine flächendeckende Versorgung sicherzustellen?
Das Kabinett hat in St. Quirin die Zukunftsinitiative Mobilfunk beschlossen:
Bei der Neuvergabe von Lizenzen an Mobilfunkbetreiber (ab Ende 2020) muss das Schließen „weißer Flecken" zur Bedingung gemacht werden. Das Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Techniologie (StMWi) wird dabei die Verantwortung der Telekommunikationsunternehmen einfordern und setzt die europäische Roaming Lösung auch in Deutschland um. Die Kunden sollen problemlos alle Netze nutzen können.
Mit einem Sofortprogramm sollen in unversorgten Gebieten bis 2020 bestehende Anlagen nachgerüstet und ggf. neue Anlagen geschaffen werden. Das StMWi wird neue (5G-)Netze und alternative (Laser) Übertragungstechnologien frühzeitig in der Praxis erproben und WLAN-Hotspots mit Blick auf die Internettelefonie weiter ausbauen.

4. a) Welche Maßnahmen sind neben dem Sofortprogramm vorgesehen?
Die Vorgaben des Bundes im Rahmen der Digitalen Dividende II sichern nicht die Versorgung auf allen Flächen oder Verkehrswegen. Es ist damit zu rechnen, dass Regionen mit sehr dünner Besiedelung schlecht versorgt bleiben, weil dies für die Betreiber nicht rentabel ist. Für diese Fälle fordert Bayern eine Verschärfung der Versorgungsauflagen für die nächste Frequenzauktion und Roaming nach europäischem Vorbild (dies ist unter 4 b genauer ausgeführt).
Ein ausreichend dotiertes Förderprogramm für den Bau neuer Sendestandorte ist das geeignete Mittel zum zeitnahen Schließen der Mobilfunklücken in Bayern. Ein entsprechendes Programm wird derzeit erarbeitet.
b) Wie will die Staatsregierung dafür sorgen, dass Mobilfunkanbieter bei Neuvergabe von Lizenzen verpflichtet werden, die „weißen Flecken" in der Funkversorgung zu beseitigen?
Dem Auftrag des Landtags, auf den Bund einzuwirken, dass dieser alle rechtlichen Möglichkeiten ergreift, um die Netzabdeckung im Mobilfunkbereich zu verbessern, ist das StMWi bereits nachgekommen. Bei der Sitzung des Beirats der Bundesnetzagentur am 26. September 2016 hat Bayern einen Antrag mit folgendem Inhalt gestellt:
- Strenge Versorgungsauflagen für die nächste Frequenzversteigerung (Vollversorgung der öffentlichen Verkehrswege und mind. 99 % Versorgung aller bayerischen Haushalte).
- Regelmäßige Beobachtung („Monitoring") der Mobilfunkversorgung durch Messungen vor Ort in den Bundesländern und Abstimmung der zu überprüfenden Regionen mit den Ländern, um sicherzustellen, dass die Netzbetreiber die Versorgungsauflagen einhalten.
- Einführung eines Roamings nach europäischem Vorbild, sodass Kunden eines Anbieters die Möglichkeit erhalten, die in einem Gebiet grundsätzlich verfügbaren Netze unabhängig von der Wahl des vertraglichen Netzanbieters zu nutzen - gegebenenfalls gegen Roaminggebühren.
Dies dient zwar nicht der Beseitigung weißer Flecken, verbessert aber die allgemeine Qualität der Versorgung.
c) Welche rechtlichen und sonstigen Möglichkeiten bestehen darüber hinaus, Mobilfunkanbieter zu verpflichten, die „weißen Flecken" zu schließen?
Das europäische Recht macht die wesentlichen Vorgaben für die Telekommunikationsregulierung. Deshalb werden verschiedene Ideen im Zuge der aktuellen Überprüfung dieses Rechtsrahmens diskutiert, z.B. die Mobilfunkversorgung in den Universaldienst aufzunehmen. Universaldienstleistungen sind ein Mindestangebot an Diensten für die Öffentlichkeit, für die eine bestimmte Qualität festgelegt ist und zu denen alle Endnutzer unabhängig von ihrem Wohn- oder Geschäftsort zu einem erschwinglichen Preis Zugang haben müssen und deren Erbringung für die Öffentlichkeit als Grundversorgung unabdingbar geworden ist.


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