20 cm Sicherheitsabstand für Tablet-PCs: Stuss oder Skandal? (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Dienstag, 26.08.2014, 00:16 (vor 3743 Tagen)

Auszug aus Dariusz Leszczynskis Bericht von der BioEM2014:

In Marys Vortrag gab es auch eine sehr interessante Beobachtung hinsichtlich dessen, was die Allgemeinheit bei der Arbeit mit Tablet-Computern als normale Position ansieht und wie diejenige aussieht, die die Industrie für normal hält. Die Industrie berücksichtigt einen Abstand von gut 20 cm vom Körper und bei dieser Entfernung wird getestet, ob die EMF-Emission die Sicherheitsstandards erfüllt. Die Allgemeinheit denkt jedoch ganz anders darüber. Die Leute, kleine Kinder eingeschlossen, legen die Tablets auf ihren Schoß, und das jeweils über Stunden. Das bedeutet, dass die Sicherheitsstandards nicht eingehalten werden – sie sind unwirksam. Die entscheidende unbeantwortete Frage ist: Wie ist es möglich, dass die Industrie solche Geräte unter Bedingungen testet, die völlig verschieden sind davon, wie sie benutzt werden? Warum werden die Leute nicht gewarnt, dass die von der Industrie als Standard angenommene Position bei der Nutzung nichts mit der im wirklichen Leben gemein hat?

Aus dem Text geht nicht eindeutig hervor, ob die 20 cm Sicherheitsabstand nun auf Mary Redmayne oder auf Dariusz Leszczynski zurück zu führen sind.

Sollte diese Angabe tatsächlich zutreffend sein, dürfte ein Tablet nur in mindestens 20 cm Abstand zum Körper betrieben werden. Dies wäre eine absurde Forderung, weil dieser Abstand einer typischen Gebrauchshaltung von Tablets zuwider läuft.

Was mich wundert: Dariusz kritisiert die 20 cm zwar scharf, stellt sie jedoch in keiner Weise in Frage, obwohl der Wert für jeden erkennbar widersinnig hoch ist. Für den Finnen steht der Schuldige glasklar fest: die "Industrie" mal wieder.

Da sich mein Verstand jedoch gegen die 20 cm Sicherheitsabstand für Tablets auflehnt, habe ich ein Viertelstündchen Suchmaschinenorakel befragt, ob Sie etwas darüber wissen. Etwas richtig Gutes kam dabei zwar nicht heraus, etwa das PDF einer verbindlichen Messnorm, in der die 20 cm nachzulesen wären, doch erwiesen sich wenigstens Benutzerhandbücher von Tablets als auskunftsfreudig. Im Manual eines SGP321 (Sony) steht z.B.:

Der höchste SAR-Wert zu diesem Tablet-PC bei der Benutzung mit einem Abstand von 10 mm zum Körper liegt bei Tests bei 1.69 W/kg (10g).

Das liest sich schon einmal ganz anders. Im Handbuch dieses ViewSonic-Tablets fanden sich dagegen keinerlei Angaben zum Genrauchsabstand, ein SAR-Wert ist dort ebenfalls nicht zu finden. Anders wieder bei Blackberry, der Smartphone-Pionier gibt zu seinem Playbook-Tablet genauestens Auskunft:

The highest SAR value for your BlackBerry tablet model when tested for use 5 mm from your body is outlined as follows:
Tablet SAR (W/kg) 1.41 for 1 g; SAR (W/kg) 1.69 for 10 g

Die verruchte "Industrie" ist anscheinend nicht ganz so verrucht, wie uns Dariusz Glauben machen möchte, dies belegen die beiden willkürlich aus dem Internet gezogenen Beispiele ziemlich eindeutig.

Woher aber kommen diese ominösen 20 cm, die angeblich von der Industrie zur Ermittlung der maximal zulässigen SAR verwendet werden, die aber offenkundig nicht stimmen? Und wie ist es mit der SAR, wenn ein Tablet nur W-LAN hat, ein anderes aber mit UMTS- oder LTE-Zugang ausgestattet ist? Beide können und dürfen nicht in einen Topf geworfen werden. Sollte jemand substanzielle Informationen zur Lösung des 20-cm-Rätsel beitragen können, wäre das schön, denn ich beabsichtige nicht, mir wegen einer mMn offensichtlichen Fehlinformation weiter die Nacht um die Ohren zu schlagen.

Nachtrag vom 08.01.2017
Hensingers Kannä: 20 cm Sicherheitsabstand zu Tablets

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

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SAR, Leszczynski, Sicherheitsabstand, Tablets, Emission

20 cm Sicherheitsabstand für Tablet-PCs: Stuss oder Skandal?

Kuddel, Dienstag, 26.08.2014, 00:57 (vor 3743 Tagen) @ H. Lamarr

Da steht doch sogar ein Hinweis auf die CTIA => Google nach CTIA und Laptop Tablet

Siehe >hier<

Es gibt offenbar verschiedene Messvorschriften.
Die 20cm beziehen sich nicht auf einen Abstand zum Körper, sondern auf die Größe des Laptop oder Tablet. Die Grenze von 20cm bestimmt, welche Messvorschrift angewendet wird (Diagonale >20cm oder <20cm).

Bei Laptops beispielsweise sind die Antennen oft im oberen Displayrahmen eingearbeitet.
Man geht davon aus, daß der obere Displayrahmen einen bestimmten Mindestabstand zum Körper hat.

K

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Sicherheitsabstand, CTIA, Tablets, Laptop

20 cm Sicherheitsabstand für Tablet-PCs: Stuss!

H. Lamarr @, München, Dienstag, 26.08.2014, 13:11 (vor 3742 Tagen) @ Kuddel

Da steht doch sogar ein Hinweis auf die CTIA => Google nach CTIA und Laptop Tablet

Siehe >hier<

Danke, "Kuddel", dort steht tatsächlich alles drin!

Die 20 cm Sicherheitsabstand sind Stuss, gemeint ist damit die Bildschirmdiagonale, um zwischen kleineren und größeren Notebooks/Tablets unterscheiden zu können.

Statt realitätsfremder 20 cm definiert das Dokument für Tablets realistische Sicherheitsabstände von 0 mm bis 5 mm. Die entsprechende Passage lautet:

The antennas embedded in tablets are typically ≤ 5mm from the outer housing. The required antenna to user test separation distance is a “not to exceed test” distance required to apply the modular approach.
Instead of the typical zero gap tablet edge test requirement between the edge of a tablet and the user, when an antenna has been tested at ≤ 5 mm according to the modular approach it can be incorporated into tablets with at least twice the tested distance from the outer housing of the tablet edge; otherwise, the tablet edge zero gap test requirement applies. When the dedicated host approach is applied, the back surface and edges of the tablet should be tested for SAR compliance with the tablet touching the phantom.18 The SAR Test Exclusion Threshold in KDB 447498 can be applied to determine SAR test exclusion for adjacent edge configurations.19 The closest distance from the antenna to an adjacent tablet edge is used to determine if SAR testing is required for the adjacent edges, with the adjacent edge positioned against the phantom and the edge containing the antenna positioned perpendicular to the phantom.

Damit ist das 20-cm-Rätsel aus meiner Sicht schlüssig und nachvollziehbar geklärt.

Nicht geklärt ist, warum ein (eigentlich) vernünftiger Wissenschaftler wie Dariusz Leszczynski sich derart versteigen konnte, wie es normalerweise nur Frontleuten von Anti-Mobilfunk-Vereinen passiert. Meine Erklärung: Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass mit dem Eintauchen in die Anti-Mobilfunk-Szene ein zeitweiser Verlust an gesundem Menschenverstand einher geht. Man hält in dieser Phase vieles für möglich, was einem vorher und auch nachher zuverlässig zum Kopfschütteln bringt. Dariusz ist vielleicht in den Sog dieser Szene geraten, dies würde erklären, warum er "die Industrie" sofort in Verdacht hatte, einen absurd hohen Sicherheitsabstand hinterrücks zu etablieren, nur um Anwender, explizit "Kinder" über alle Maßen zu verstrahlen. Das passt mMn z.B. zu Diagnose-Funker Peter Hensinger, nicht aber zu einem respektierten Wissenschaftler wie Dariusz. Sollte mein Verdacht zutreffen hilft nur warten, bis er sich aus dem Treibsand der Szene befreit, und die Vernunft wieder die Oberhand gewonnen hat.

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Zweifel, Misstrauen, Smartphone, Tablets

20 cm Sicherheitsabstand für Tablet-PCs: Stuss!

H. Lamarr @, München, Dienstag, 31.01.2017, 13:42 (vor 2853 Tagen) @ H. Lamarr

Da steht doch sogar ein Hinweis auf die CTIA => Google nach CTIA und Laptop Tablet

Siehe >hier<

Danke, "Kuddel", dort steht tatsächlich alles drin!

Die 20 cm Sicherheitsabstand sind Stuss, gemeint ist damit die Bildschirmdiagonale, um zwischen kleineren und größeren Notebooks/Tablets unterscheiden zu können.

Für Shenzhen LTT Testing Technology Co.,Ltd., sind SAR-Messungen an Mobilgeräten das täglich Brot. Das Unternehmen fasst die FCC-Vorschrift zusammen, zwar auf englisch aber doch so schön übersichtlich. dass selbst Peter Hensinger einsehen muss, in seinem Beitrag für schwäbische Philologen den Lesern blanken Blödsinn aufgetischt zu haben. Pseudoexperte Hensinger glaubt zu wissen:

Die Hersteller kennen die Risiken: für Smartphones wird in Gebrauchsanweisungen empfohlen, sie nur in 25 mm Abstand vom Körper zu nutzen. Die US - Federal Communications Commission empfiehlt bei Laptops (Tablets) gar 20 cm Abstand. Ist dies praktikabel? Wohl nicht, es ist eine juristische Absicherung für mögliche Folgeschäden.

Besonders putzig finde ich die Kaskadierung von Hensingers Kenntnisdefiziten. Ihm kommt nicht etwa die Widersinnigkeit eines idiotisch großen Sicherheitsabstands von 20 cm in den Sinn, sondern er dichtet diesem Stuss auch noch die nicht weniger idiotische Behauptung an, die 20 cm dienten einer juristischen Absicherung gegen Folgeschäden. Diese Kaskadierung ist typisch für Fans von Verschwörungstheorien, Blödsinn A wird mit Blödsinn B erklärt dieser wiederum stützt sich auf Blödsinn C ...

Und die schwäbischen Philologen verbreiten Hensingers Stuss von Ende 2015 noch heute: Herr vergib ihnen, denn Sie wissen nicht was sie tun.

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Sicherheitsabstand, Tablet, Laptop

Dariusz zum 20-cm-Sicherheitsabstand für Tablet-PCs

H. Lamarr @, München, Dienstag, 26.08.2014, 21:12 (vor 3742 Tagen) @ H. Lamarr

Aus dem Text geht nicht eindeutig hervor, ob die 20 cm Sicherheitsabstand nun auf Mary Redmayne oder auf Dariusz Leszczynski zurück zu führen sind.

Das sieht Dariusz unter Verweis auf seinen Text ganz anders, den 20-cm-Sicherheitsabstand für Tablets habe nicht er, sondern Mary Redmayne vorgetragen.

Außerdem wendet der finnische Wissenschaftler ein:

None of the industry representatives, present in lecture room during Mary presentations claiming the 20 cm testing distance for tablets, none of them questioned this information. None. At the same time they were pointing out inaccuracies in many other talks. Was it so that they, industry representatives, did not know or else why they did not stand up and say that it is a mistake? I have no idea but it was the situation in lecture room.

[Übersetzung: Keiner der anlässlich Marys Präsentation im Raum anwesenden Industrievertreter beanstandete den vorgebrachten 20-cm-Sicherheitsabstand für Tablets, keiner von ihnen stellte diese Information infrage. Nicht einer. Dabei wiesen sie bei vielen anderen Vorträgen auf Fehler hin. Soll das etwa bedeuten, die Industrievertreter wussten es nicht besser und blieben deshalb schweigend sitzen? Ich weiß es nicht, doch das war die Situation dort im Vortragssaal.]

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Unterstellung, Schweigen, Industrie, Redmayne

Dariusz zum 20-cm-Sicherheitsabstand für Tablet-PCs

Kuddel, Dienstag, 26.08.2014, 21:49 (vor 3742 Tagen) @ H. Lamarr
bearbeitet von Kuddel, Dienstag, 26.08.2014, 22:11

None of the industry representatives, present in lecture room during Mary presentations claiming the 20 cm testing distance for tablets, none of them questioned this information. None. At the same time they were pointing out inaccuracies in many other talks. Was it so that they, industry representatives, did not know or else why they did not stand up and say that it is a mistake? I have no idea but it was the situation in lecture room.

Wer war denn von der "Geräte-Industrie" anwesend ?
Oder werden hier wieder WHO und BFS in einen Topf mit "Industrie" geworfen ?

Wir leben in einer arbeitsteiligen Welt und niemand kann jedes Detail aus jeder Durchführungsverordnung/Messvorschrift kennen.

Solche "Vorschriften" werden von vielköpfigen Gremien erstellt und erreichen schnell mehrere hundert Seiten Text, die sich eine Einzelperson unmöglich merken kann.

Die Wissenschaftler auf dem Kongress sind Biologen und interessieren sich für Grenzwerte in "W/kG" für bestimmte Körperteile und nicht um die Frage, wie man bei einem Laptop oder Tablet die Einhaltung des Grenzwertes konstruktiv sicherstellt und messtechnisch überprüft.

Darum kümmern sich andere (Physiker oder Messtechniker). Und die gehen nicht auf solche Kongresse.

Es ist ein typischer Rhetorik-Trick der Mobilfunkgegner, ihre Gegner plötzlich mit Tatsachenbehauptungen zu bestimmten Details zu konfrontieren, denen man (ohne Gelegenheit zur Recherche der Details) unmöglich sofort etwas entgegenen kann.

Die ausbleibende Entgegnung wird dann als Bestätigung der Tatsachenbehauptung angesehen und damit der "Gegner" als Depp hingestellt.

K

Tags:
Rhetorik, Kompetenz, Trick

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