Plemplem: In einem gesunden Raum wohnt ein lebendiger Geist! (Esoterik)

H. Lamarr @, München, Mittwoch, 16.09.2015, 20:54 (vor 3137 Tagen)

Ein typisches Beispiel für redaktionell getarnte Werbung ist der Beitrag Lebensraum-Consulting – was ist das? auf der österreichischen Site nachchrichten.at. Wegen seines ungeniert werblichen Inhalts wurde der Beitrag, zu dem sich kein Autor bekennt, mit ziemlicher Sicherheit gegen Entgelt veröffentlicht. Den Nutznießer des Beitrags muss man nicht lange suchen, gleich rechts daneben bietet nachrichten.at ein Video an, das den "Lebensraum Consultant" an seiner Wirkungsstätte zeigt und natürlich dürfen auf seinem Tisch die berühmt-berüchtigten Knatterbüchsen aus bayerischer Produktion nicht fehlen. Die lächerliche Erfindung "Lebensraum-Consulting" wäre ein guter Anlass für ein Posting, für dieses Posting ist sie es jedoch nicht. Was kann man schon von Alpenrepublikanern erwarten, deren Fußball-Kommentatoren z.B. einen Eckball als Corner und Abseits als Offside an die Trommelfelle der Fans herantragen.

Es geht auch nicht um die Unverschämtheit, dass der Beitrag vom 16. September 2015 wortgleich schon einmal am 17. September 2013 und dann noch einmal am 17. September 2014 auf nachrichten.at veröffentlicht wurde und auch nicht darum, dass einem "Lebensraum-Consulting" in Gestalt von Telefon-Abzocke zum Preis von 2,17 € pro Beratungsminute unanständig teuer zu stehen kommen kann.

Nein, es geht mir um die mMn dämliche Einleitung des abgedroschenen Beitrags:

"In einem gesunden Raum wohnt ein lebendiger Geist!“
Diese Weisheit gilt heute mehr denn je.

Die angebliche Weisheit wurde vom Autor für den Beitrag frei erfunden, sie gilt nur deshalb heute mehr denn je, weil es sie zuvor nicht gab. Jedenfalls nicht in dieser ans Geschäft des "Lebensraum-Consulting" adaptierten Fassung.

Die vermeintliche Weisheit geht auf den römischen Dichter Juvenal (60–127 n. Chr.) zurück, der die Redewendung auf lateinisch ersann: Orandum est, ut sit mens sana in corpore sano.(Beten sollte man darum, dass in einem gesunden Körper ein gesunder Geist sei.) Die Nationalsozialisten zitierten Juvenal verkürzt und sinnentstellend: "In einem gesunden Körper wohnt ein gesunder Geist!" Und unser "Lebensraum-Consultant" rezipiert aus dieser ohnehin schon verkorksten Version seinen Slogan: "In einem gesunden Raum wohnt ein lebendiger Geist!"

Im Umkehrschluss bedeutet die verkürzt interpretierte Nazi-Redewendung, ein kranker und schwachen Körpern könne keinen gesunden Geist beherbergen. Die unzutreffende Diskriminierung Körperbehinderter liegt auf der Hand. Nicht weniger doof und unverschämt die Botschaft des "Lebensraum-Consultant": Wer in ungesunden Verhältnissen wohnt darf sich nicht wundern, wenn er davon plemplem wird.

Hintergrund
Mens sana in corpore sano

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
, Baubiologie, Diskriminierung, Werbung


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