SCENIHR: Neues Gutachten zu EMF erschienen (Allgemein)
In der für Laien verfassten Kurzfassung des jüngsten SCENIHR-Gutachtens der EU über die Risiken elektromagnetischer Felder lautet das Fazit:
Die Wissenschaftlichen Ausschüsse führen keine wissenschaftliche Forschung durch, sondern überprüfen alle relevanten wissenschaftlichen Daten indem sie Metadatenanalysen ausführen, um eine Stellungnahme zu verschiedenen Themen in Bezug auf die öffentliche Gesundheit vorzubringen. Die gründliche Untersuchung aller entsprechenden neueren Daten hat zu keinem eindeutigen Beweis dafür geführt, dass elektromagnetische Felder gefährlich sind, was beruhigend ist. Es sollte jedoch weitere Forschung betrieben werden, insbesondere in Bezug auf sehr langfristige Exposition und mögliche Risiken von Exposition durch mehrere Quellen.
Etwas substanzieller und für überzeugte "Elektrosensible" enttäuschend ist die Zusammenfassung auf der Website des Ausschusses:
The results of current scientific research show that there are no evident adverse health effects if exposure remains below the levels recommended by the EU legislation. Overall, the epidemiological studies on radiofrequency EMF exposure do not show an increased risk of brain tumours. Furthermore, they do not indicate an increased risk for other cancers of the head and neck region.
Previous studies also suggested an association of EMF with an increased risk of Alzheimer’s disease. New studies on that subject did not confirm this link.
Epidemiological studies associate exposure to Extremely Low Frequency (ELF) fields, from long-term living in close proximity to power lines to a higher rate of childhood leukaemia. No mechanisms have been identified and no support from experimental studies could explain these findings, which, together with shortcomings of the epidemiological studies prevent a causal interpretation.
Concerning EMF hypersensitivity (idiopathic environmental intolerance attributed to EMF), research consistently shows that there is no causal link between self-reported symptoms and EMF exposure.
Die 288 Seiten umfassende wissenschaftliche Bewertung des SCENIHR gibt es hier (PDF, englisch).
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –
Null Beteiligung deutschsprachiger Mobilfunkgegner
Am Entwurf des SCENIHR-Gutachtens durfte herum gemäkelt werden. Auf der Website des Ausschusses konnten Wissenschaftler und Lobbyisten vom 4. Februar bis 16. April 2014 ihre Kommentare abgeben, was ihnen am Entwurf nicht gefallen hat. Am 27. März gab es zudem ein öffentliche Anhörung in Athen.
Genutzt haben dieses Angebot 57 Organisationen/Personen, die 186 qualifizierte Kommentare einbrachten.
Wer die 57 sind, was sie zu bemängeln hatten und wie der Ausschuss auf den Einwand reagierte, das alles lässt sich schön übersichtlich in diesem Dokument nachlesen.
Ich habe nach bekannten Namen von Personen und Organisationen aus der hiesigen Anti-Mobilfunk-Szene gesucht, von denen zu erwarten war, dass sie sich in dieses wichtige Gutachten der EU mit substanziellen Kommentaren einbringen. Hier das vernichtende Ergebnis:
Sogenannte Kompetenzinitiative: Fehlanzeige
Diagnose-Funk: Fehlanzeige
Next-up, Frankreich: Fehlanzeige
Verein für Elektrosensible, München: Fehlanzeige
Prof. Klaus Buchner: Fehlanzeige
Prof. Dominique Belpomme: Fehlanzeige
Dr. Ulrich Warnke: Fehlanzeige
Prof. Franz Adlkofer: Fehlanzeige
Prof. Michael Kundi: Fehlanzeige
Prof. Lennart Hardell: Treffer
Dr. Lebrecht von Klitzing: Fehlanzeige
Bürgerwelle: Fehlanzeige
Gigaherz: Fehlanzeige
Prof. Olle Johansson: Fehlanzeige
Was soll man dazu noch sagen?!
Außer Lennart Hardell konnte ich nur noch einen weiteren bekannten Namen aus der Anti-Mobilfunk-Szene finden, nämlich Lloyd Morgan. Beide brachten je einen Kommentar ein, andere Kommentatoren wie Lyrae Velma aus Großbritannien kamen auf fast 40 Kommentare.
Eine Einschränkung ist jedoch zu machen: Bei der öffentlichen Anhörung durch den SCENIHR 2014 in Athen trat Eileen O'Connor, wie hier nachzulesen ist, als Interessenvertreterin der überzeugten "Elektrosensiblen" auf. Dennoch fehlt O'Connor in dem Dokument, das die 186 qualifizierten Kommentare auflistet. Die Erklärung dafür ist das Zauberwort "qualifiziert". Selbstdarstellerin O'Connor hatte wissenschaftlich nichts einzubringen, was dem Ausschuss nicht bereits bekannt war und mit anekdotischen Fallgeschichten braucht man auf dessen Niveau gar nicht erst anfangen. Es kann daher auch sein, dass die oben mit "Fehlanzeige" markierten Organisationen/Personen den Entwurf des SCENIHR-Gutachtens sehr wohl mit einem Kommentar bedacht haben, jedoch an der Hürde "wissenschaftlich qualifiziert" scheiterten, und es deshalb nicht bis in die Liste der 186 qualifizierten Kommentare schafften.
Welche der beiden Möglichkeiten (Inaktivität oder Inkompetenz) für die "Fehlanzeigen" nun schmeichelhafter ist, mag jeder für sich entscheiden. Aus meiner Sicht ist die Abwesenheit der kompletten deutsch/schweizerischen Anti-Mobilfunk-Szene ein weiterer Beleg dafür, dass die tatsächlichen Absichten dieser Szene nicht in einer ehrlichen und seriösen wissenschaftlichen Klärung von Streitfragen zu sehen sind, sondern im Sichern des materiellen/immateriellen Profits für Einzelpersonen, Vereine/Parteien und diverse Branchen.
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –
SCENIHR: Easy to read summary
Die EU-Kommission hat auf ihrer Website "Health and Food Safety - Scientific Commitees" eine Zusammenfassung der jüngsten SCENIHR-Opinion zu elektromagnetischen Feldern (in englisch) publiziert. Spannend wird es allerdings erst auf Level 2 bei den Details. Dort wird auch die jüngst bestätigte Rolle von EMF als Kokarzinogen angesprochen.
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –