Dosimetrie: Rattenstudie mit 2 mW Sendeleistung (Technik)

H. Lamarr @, München, Freitag, 09.11.2012, 09:43 (vor 4397 Tagen)

Der WIK-EMF-Brief 94/2012 berichtet von einer neuen Rattenstudie mit Auswirkung von GSM-900-Befeldung auf den Fortpflanzungsapparat der Tiere.

Was mir spanisch vorkommt, ist die genannte Sendeleistung von nur 2 mW, mit der die Ratten befeldet wurden. Im Original der Studie wird die Dosimetrie so beschrieben:

Exposure Chamber

Rats were placed in a Plexiglas cages, fixed with anechoic material which was ventilated with holes of 1 cm diameter. The cages were designed by pasting anaechoic material (radio absorbingmaterial) on the side of each box.Mobile phones were kept on the top of the exposure box housing one animal. The placing of themobile phone antenna on the top of the animal cage ensured that there was preferential emission towards the animal and there are no scattered radiations around. The frequency of the cell phone was 900 MHz, pulse GSM (global system for mobile) and kept in standby mode. The cell phones were in silent mode without vibration.

Maximum and minimum output power were measured falling on the body. Each animal cage was attached with a separate mobile phone. Variation of related power within each animal cage is minimal as discussed earlier [30]. The same experimental methodology was used based on the methods used by Kesari et al. [31] and Narayanan et al. [32].

Power Calibration

Exposure was given by mobile phones having a time average specific absorption rate of 0.9 W/ kg, as mentioned by the manufacturers. For the purpose of calibration, the emitted power of mobile phones was measured by using a specially designed monopole antenna. The emitted power was measured by a power meter (RF power sensors 6900 series and IFR 6960 B sensors RF powermeter), attached to the antenna bySMA connector simulating an actualmobile phone exposure scenario [33]. The maximum average emitted power so measured turned out to be 2 mW. The method of power measurement is the same as described before [31].

Kommentar: Wie soll das nur funktioniert haben, denn unter Handys "kept in standby mode" verstehe ich ein empfangsbereites Handy, das nicht sendet bzw. nur sehr selten den "Hallo-ich-bin-noch-da-Impuls" (PLU) mit maximaler Leistung (2 W) ans Netz sendet.

Die im zitierten Textblock mehrfach erwähnte Quelle [31] ist eine weitere Arbeit von Kesari et al., die sich im Original (PDF) hier anschauen lässt. Dort ist auch der Experimentalaufbau abgebildet, recht viel schlauer bin ich dadurch allerdings auf die Schnelle nicht geworden. Mir ist nicht klar, wie im Nahfeld des Handys mit der "speziellen" Monopolantenne und dem "RF Power Sensor" eine korrekte Leistungsmessung bewerkstelligt wurde. Gemäß dem Bild des Experimentalaufbaus wurde z.B. nicht dort gemessen, wo ein Handy abstrahlt. Auch die SAR-Angabe von 0,9 W/kg finde ich höchst irritierend, denn es wird so dargestellt, als ob das die SAR sei, der die Tiere (Ganzkörper) ausgesetzt waren. Tatsächlich ist dies jedoch nur der (maximale) SAR-Wert, wie ihn der Handyhersteller bei den Technischen Daten des Handys nennt, mit der SAR der exponierten Ratten hat dieser Wert 0,0 zu tun.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Nahfeld, Ratten, Absorption, Fortpflanzungsapparat

Dosimetrie: Rattenstudie mit 2 mW Sendeleistung

Kuddel, Freitag, 09.11.2012, 15:18 (vor 4397 Tagen) @ H. Lamarr
bearbeitet von Kuddel, Freitag, 09.11.2012, 15:45

Die Leistungsmessung wie im PDF abgebildet ist völliger Humbug .

Die "'Meßantenne" hat nämlich in praktisch gar keinen Empfang in Richtung des Mobiltelefons, weil das Richtdiagramm einem "Donut" um the Antennenachse gleicht.
=> D.h. die Meß-Antenne hat in Richtung der Antennenspitze so gut wie keinen Empfang.

Ferner ist kaum anzunehmen, daß das Mobiltelefon eine gute Abstrahlung "nach unten" hat. Die Basisstationen befinden sich ja nicht im Erdboden.

Somit ist die "gemesse" Leistung generell um Größenordnungen zu gering und rein von parasitären Effekten abhängig (Reflexionen der Umgebung, Reflexionen von der Ratte selbst=>abhängig von der Position der Ratte relativ zu Handy und Meßantenne, Nebenzipfel des Handy-Abstrahldiagramms) und hat so gut wie keine Korrelation zur Leistungsflußdichte, welcher die Ratte ausgesetzt ist.

Günstiger wäre es gewesen, die Meß-Antenne über dem Mobiltelefon anzuordnen, wo die Ratte selbst weniger Einfluß auf die Stärke des gemessenen Signals hat.
Dann müßte der "Dämpfungsfaktor" zwischen Handy und Meßantenne bestimmt werden und der Dämpfungsfaktor zwischen Handy und Ratte. Die gemessen Leistung müßte dann mittels beider Dämpfunsfaktoren auf die Absorptionsleistung durch die Ratte umgerechnet werden.

D.h. die beispielsweise gemessenen "20mW"an der Meßantenne müssen mit einem Faktor "X" multipliziert werden um die SAR der Ratte zu bestimmen.

Ferner wäre zu kritisieren, daß Mobiltelefone nicht nur hochfrequente Felder emittieren, sondern das Energiemanagement auch (gepulste) niederfrequente Magnetfelder und ggf gepulsten (Ultra-) Schall abstrahlt.
Somit ist eine Zuordnung eventuell gefundener biologischer Effekte bezüglich HF-Felder, Magnetfelder oder Schall nicht eindeutig möglich.
K

Tags:
Leistungsflußdichte

Dosimetrie: Handys als Feldgenerator sind fragwürdig

H. Lamarr @, München, Freitag, 09.11.2012, 22:18 (vor 4397 Tagen) @ Kuddel

Die Leistungsmessung wie im PDF abgebildet ist völliger Humbug .

Danke für Ihre Einschätzung, "Kuddel".

Da scheinen ja einige Dinge bei dieser Dosimetrie im argen zu liegen. Und es fehlt zudem bei der ganzen Geschichte ein entscheidend wichtiges Gerät, nämlich ein Funkmeßplatz.

Erst der Funkmeßplatz dirigiert die mit einem Test-Sim ausgestatteten Handys auf einen bestimmten Kanal und auf einen ganz bestimmten (gewünschten) Power-Level, der dann während des gesamten Versuchs definiert konstant bleibt. Ohne Funkmeßplatz müssen sich die Handys in ein öffentliches Mobilfunknetz einbuchen und bekommen die Sendeleistung von der BTS angewiesen. Das ist dann alles andere als eine nachvollziehbare Exposition, denn je nach Position der Ratte zum Handy kann es leicht sein, dass die BTS während des Versuchs die Leistung des Handys mal rauf, mal runter gesetzt hat. Aus meiner Sicht geht sowas gar nicht, ein Handy, eingebucht in einem öffentlichen Mobilfunknetz, ist keine Feldquelle, die wissenschaftlichen Ansprüchen nach Nachvollziehbarkeit der Exposition genügt.

Kurzum: Es ist nicht auszuschließen, dass die Tiere eine Ganzkörperbefeldung über 0,08 W/kg erfahren haben.

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– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

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