Verletzt Staat seine Schutzpflicht? (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Montag, 27.06.2005, 23:46 (vor 6850 Tagen)

Etwas abseits der gewohnten Trampfelpfade im izgmf-Forum aber doch bemerkenswert. Hintergrund: Der billigste Rauchmelder kostet beim Praktiker-Baumarkt ungefähr 3,99 Euro. Hingehen, kaufen, Batterie einsetzen und der Verfassungsgerichtshof hätte einen Fall weniger zu verhandeln gehabt. Aber lesen Sie selbst, wie es mancherorts um Eigenverantwortung bestellt ist ...

Rauchwarnmelder auch in Altbauten? - Verletzt Staat seine Schutzpflicht

Der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz verhandelt am

Dienstag, dem 05. Juli 2004, 10:30 Uhr,
im Sitzungssaal I seines Dienstgebäudes

in öffentlicher Sitzung über die Frage, ob der Landtag verpflichtet ist, auch für bestehende Wohngebäude die Installation von Rauchwarnmeldern vorzuschreiben.

Das Land Rheinland-Pfalz hat als erstes Bundesland Ende 2003 mit § 44 Abs. 8 der Landesbauordnung die gesetzliche Verpflichtung eingefügt, in Schlafräumen und Kinderzimmern sowie Fluren von Neubauten Rauchwarnmelder anzubringen. In Altbauten besteht diese Verpflichtung nur, wenn dies im Einzelfall zur Abwehr von erheblichen Gefahren, insbesondere für Leben und Gesundheit erforderlich ist oder wenn der Altbau wesentlich verändert wird.

Die 6-jährige Beschwerdeführerin, die von ihrer Mutter vertreten wird, wohnt in einer bereits 1979 erbauten Wohnung. Da dort nach der Landesbauordnung keine Rauchwarnmelder installiert werden müssen, hat sie Verfassungsbeschwerde erhoben. Sie ist der Auffassung, dass ihr Leben im Falle eines Brandes und der damit verbundenen Rauchentwicklung nicht geschützt sei. Nach der Feuerwehrstatistik blieben nach Ausbruch eines Brandes lediglich vier Minuten zur Flucht. Diese Zeit könnte genutzt werden, würden Rauchwarnmelder sofort Alarm schlagen. Dadurch, dass in Altbauten Rauchwarnmelder nicht generell vorgeschrieben seien, habe der Staat seine verfassungsrechtliche Pflicht zum Schutz des Lebens verletzt. Insbesondere Kinder seien ohne Rauchwarnmelder großen Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt. Deshalb würden die Kinder, die in einer Altbauwohnung lebten, willkürlich benachteiligt. Der Bestandschutz für Altbauten könne die unzureichende gesetzliche Regelung nicht rechtfertigen. Auch sei der Aufwand für die Überwachung der Installation von Rauchwarnmeldern in Altbauten zum Schutze des Lebens von Kindern zumutbar.

Das Urteil wird voraussichtlich am Verhandlungstag verkündet werden.

Quelle: Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz, Pressemitteilung Nr. 4/2005

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Recht, Verfassungsbeschwerde


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