Wie Mobilfunkgegner mit Erwin Schliephake Ängste schüren (VI) (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Mittwoch, 18.09.2019, 00:30 (vor 1676 Tagen) @ H. Lamarr

2008 – Prof. Andreas D. Kappos
Nachdem der alte Schliephake-Artikel ab 2005 in der Anti-Mobilfunk-Szene zu zirkulieren begann, hatte er geraume Zeit eine geradezu magische Anziehungskraft. Dieser konnte sich auf Prof. Andreas D. Kappos nicht entziehen, damals stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses "Gesundheit und Umwelt" der Bundesärztekammer. Im Dezember 2008 schrieb er in einem Beitrag für das Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse des Forschungszentrum Karlsruhe:

[...] Die Ergebnisse des DMF können somit nicht als Beleg für die Nichtexistenz athermischer Wirkungen der elektromagnetischen Felder interpretiert werden. Seit der Beobachtung des sogenannten „Radiowellen-Syndroms“ durch Erwin Schliephake 1932 (Schliephake 1932) wurde, wie oben angedeutet, eine große Zahl von Arbeiten publiziert, die funktionelle Gesundheitsstörungen im Zusammenhang mit der Exposition durch hochfrequente elektromagnetische Strahlung beschreiben. [...]

Hätte der Mediziner Kappos den Artikel von Schliephake gelesen, hätte er wissen müssen, sein Kollege beobachtete 1932 weder ein "Radiowellen-Syndrom" noch gebrauchte er diesen Begriff. So ist anzunehmen, Kappos hat sich einer der frühen Sekundärquellen bedient, die ihn mit einer verfälschten Wiedergabe des Schliephake-Textes erfolgreich in die Irre führte. Es war nicht der einzige Fehlgriff des Mediziners. Wie hier nachzulesen ist, schlug er (ebenfalls 2008) eine biologische Wirkung von 50-Hz-Wechselstrom fälschlich hochfrequenten elektromagnetischen Feldern zu.

Prof. Kappos schied Ende 2015 aus der Bundesärztekammer aus, die übrigens keine Kammer ist, sondern ein nicht-eingetragener Verein. Kappos äußerte sich zu möglichen Risiken des Mobilfunks stets differenziert-kritisch, weshalb ihn die Anti-Mobilfunk-Szene gerne als einen der ihren vereinnahmte. Dennoch ist nicht zu erwarten gewesen, dass der Mediziner heute im wissenschaftlichen Beirat des Vereins EuropaEM sitzt, der sich mit seiner "EMF-Leitlinie" gegen den Kenntnisstand der evidenzbasierten Medizin stemmt.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Kappos, Schliephake, Europaem, Technikfolgenabschätzung, Evidenzbasiert, Leitlinien


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